Date: July 31, 2003 at 12:14:28
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URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,259057,00.html
Subject: Artikel über Rußfilter
Hallo!
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,259057,00.html
AUTOMOBILE
Motor unter Mordverdacht
Wie gefährlich sind Dieselabgase? Nur langsam gibt die deutsche Autoindustrie ihren Widerstand gegen Rußfilter auf.
Die politischen Rauchwolken mochten nicht weichen, bis endlich der Kanzler sprach: "Wir haben nicht vor, beim Dieselkraftstoff irgendetwas zu ändern", versicherte Gerhard Schröder am vergangenen Montag.
DPA
Rußpartikel-Filter könnten im großen Stil Leben retten: Die deutsche Autoindustrie hat sich lange verweigert
Die Geisterdebatte in der Regierungskoalition um mögliche Strafsteuern auf die billigste aller konventionellen Kraftstoffsorten ist damit vorerst beendet - das Problem jedoch noch lange nicht gelöst.
Dieselaggregate sind die mit Abstand sparsamsten Verbrennungsmotoren, haben jedoch einen Makel: Sie stehen unter Mordverdacht. Bei der Verbrennung des öligen Kraftstoffs entstehen Rußpartikel, die beim Einatmen Herz-Kreislauf-Störungen und Lungenkrebs auslösen können.
Eine Lösung des Problems ist längst entwickelt und serienreif: Seit knapp vier Jahren bietet der französische Autokonzern PSA (Peugeot/Citroën) Rußpartikelfilter, die den gefährlichen Staub eliminieren.
Die Technik taugt womöglich dazu, im großen Stil Leben zu schützen: Kürzlich präsentierte das Umweltbundesamt eine Untersuchung des Münchner Epidemiologen Professor Erich Wichmann, der die positiven Auswirkungen von Partikelfiltern abschätzt. Gestützt auf amerikanische Felduntersuchungen errechnete Wichmann, es ließen sich 14 400 Todesfälle pro Jahr in Deutschland vermeiden, wenn alle Dieselfahrzeuge Partikelfilter hätten.
Deutschlands Autokonzerne, vertreten durch ihren Dachverband VDA, versuchten sogleich mit einem anderen Experten, dem Essener Toxikologen Professor Joachim Bruch, die Attacke zu entschärfen. Bruch hatte im Rahmen des jüngsten Wiener Motorensymposiums erklärt, dass es "aus heutiger Sicht keine sich verfestigende Evidenz der extremen und besonderen Gefährlichkeit von aggregierten Ultrafeinpartikeln gibt".
DER SPIEGEL
Rußemissionen auf deutschen Straßen
Die Strategie, das Rußthema als medizinischen Expertenstreit abzutun und auszusitzen, führte zu einer Generalblamage der deutschen Autoindustrie: Peugeot und Citroën profilieren sich seit Jahren als Pioniere sauberer Dieseltechnik.
Doch warum nur sperrten sich die deutschen Konzerne jahrelang gegen Rußfilter? Die Kunden, so ihre Einschätzung, seien nicht bereit, die Mehrkosten zu zahlen - was durch eine SPIEGEL-Umfrage nicht bestätigt wird.
Um etwa 400 Euro, schätzt VW-Chefentwickler Wilfried Bockelmann, verteuert der Rußfilter ein Auto - eine Investition, um die sich die Hersteller noch eine Weile drücken können. Die für 2005 vorgesehenen EU-Abgasrichtlinien werden die Filter nur für größere Motoren erforderlich machen. Erst 2010 soll der Ruß-Grenzwert noch einmal um 90 Prozent gesenkt werden - was einer Filter-Pflicht für alle Diesel-Pkw gleichkommen dürfte. So lange zu warten erscheint selbst deutschen Autofirmen inzwischen nicht mehr opportun. Zur Frankfurter IAA im September wird die deutsche Autoindustrie ihre überfällige Gegenoffensive starten und Rußfilter vorstellen, die wenig später auf den Markt kommen sollen.
Eine der interessantesten Versionen ist dabei von Mercedes-Benz zu erwarten. Die Stuttgarter Ingenieure wollen, zunächst für ihre Vierzylinder-Modelle, einen Filter präsentieren, der ohne das bei PSA-Fahrzeugen noch nötige Kraftstoff-Additiv zur Senkung der Verbrennungstemperatur im Filter auskommt. Auch Opel hat eine solche Lösung zu bieten, die im Vectra Caravan Anfang 2004 auf den Markt kommen soll. Auch die VW-Entwickler streben das kundenfreundlichere Filtersystem ohne Additiv an, sind jedoch noch nicht ganz so weit. Unter Vorstandschef Ferdinand Piëch hatte die Entwicklung von Rußfiltern keinerlei Priorität. Erst von Nachfolger Bernd Pischetsrieder wurde das Projekt vor anderthalb Jahren mit Macht angeschoben.
DER SPIEGEL
VW wird deshalb in Frankfurt zunächst eine Variante mit Additiv zeigen, vorgesehen für den neuen VW Passat. Für den neuen Golf, dessen Konstruktion schon zur Piëch-Zeit nahezu vollständig festgelegt war, kam die Entwicklung zu spät. Allein den geeigneten Platz für einen Additiv-Tank mit etwa acht Litern Inhalt zu finden war beim Golf schier unmöglich.
Generell tendieren die deutschen Hersteller dazu, die Filter nur bei größeren Autos einzusetzen, da die kleineren die Zulassungshürde zunächst auch ungefiltert schaffen werden. Der französische Golf-Konkurrent Peugeot 307 dagegen wird längst mit Rußfilter ausgeliefert.
Ein Versuch des VDA, die Franzosen wenigstens im Kleinwagensegment zur filterlosen Lösung zu überreden, ist kürzlich gescheitert. Am 19. Juni schlossen Vertreter des deutschen und des französischen Herstellerverbands in Paris ein Abkommen, wonach Kleinwagen nicht mit Rußfiltern ausgestattet werden sollten.
Der PSA-Konzern hat die Abmachung prompt unterlaufen. Auf der IAA wird Peugeot einen 1,6-Liter-Dieselmotor mit Rußfilter vorstellen - vorgesehen für den Kleinwagen 206.
CHRISTIAN WÜST
Gruß Rhanie.
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