Date: April 07, 2004 at 15:39:00
From: Frank S., [195.244.237.6]
URL: http://www.netzeitung.de/medien/280662.html
Subject: Der Artikel zur Windenergie, der nicht im Spiegel stand
Netzeitung / Dokumentation: Machtkampf um den Energiemix
05. Apr 2004 11:03
Im «Spiegel»-internen Streit um die Windenergie blieb ein Artikel ungedruckt, der heute Chefredakteur Aust bei der Verteidigung gegen Kritik an der mangelnden «inneren Pressefreiheit» des Magazins als Argument dient. Die Netzeitung dokumentiert den Artikel.
Die Netzeitung veröffentlicht einen Artikel von Gerd Rosenkranz und Harald Schumann, der in der Redaktion des «Spiegel» zum Eklat geführt hat. Der Artikel stammt aus dem Oktober 2003, damals ließ ihn die Chefredaktion des «Spiegel» nicht erscheinen. Im «Spiegel» vom 29. März 2004 erschien dann ein Artikel, dessen Tendenz sich klar gegen die Windkraft richtete. Schumann kündigte daraufhin nach mehr als 17 Jahren Redaktionsmitgliedschaft, in der «Spiegel»-Redaktion wurde Kritik an der Chefredaktion laut.
Nachdem Chefredakteur Stefan Aust sich gegen Kritik aus seiner Redaktion verteidigte, indem er indirekt die Qualität des Artikels vom Oktober öffentlich in Zweifel zog, entschloss sich Schumann, den Artikel zur Dokumentation in der Netzeitung freizugeben.
Die Fakten im Artikel waren aktuell zu dessen Recherchezeit im Frühherbst 2003. Inzwischen hat sich in Sachen Emissionshandel Wirtschaftsminister Clement durchgesetzt, beim Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde die Windkraftförderung vor allem auf Offshore-Projekte konzentriert. (nz)
Von Gerd Rosenkranz und Harald Schumann
Die Stromwirtschaft steht vor gewaltigen Umwälzungen: Ein Drittel des Kraftwerksparks muss erneuert werden - die ideale Gelegenheit für mehr Wettbewerb und Klimaschutz. Doch das Duopol von RWE und E.on blockiert mit aller Macht neue Konkurrenten aus der Wind- und Gaskraftbranche.
Ein Parkplatz, ein zweistöckiger Plattenbau, ringsum Felder und Strommasten - das Gebäude am Ende der Straße «Vor dem Nordwald« in Lehrte bei Hannover macht nicht viel her. Doch der Schein trügt.
Denn hier, in der »Hauptschaltleitung« der Firma E.on Netz, hat eine Handvoll Ingenieure die Macht über Chaos und Ordnung in Deutschland. Abgeschirmt hinter Sicherheitsschleusen und schusssicherem Glas steuern sie rund um die Uhr ein technisches Wunderwerk für 30 Millionen Stromkunden zwischen Flensburg und München: Die Stabilität der Stromversorgung.
Weil Elektrizität nicht speicherbar ist, muss jederzeit genau so viel ins Netz eingespeist werden, wie auch nachgefragt wird - für Techniker wie Markus Wallura, 36, »ein toller Job«. Im Takt von Millisekunden liefern über hundert Kraftwerke, Überlandleitungen und Unterverteiler die notwendigen Daten auf die fünf Bildschirme an seinem Arbeitsplatz.
Gleich ob ein Atomkraftwerk abgeschaltet wird, ob in der Halbzeitpause eines Länderspiels Millionen Kühlschränke anspringen oder ob auffrischender Wind ein paar tausend Windgeneratoren in Gang setzt: Die E.on-Techniker und ihre Mitstreiter in den anderen drei deutschen Stromleitstellen müssen die Schwankung ausgleichen. Mal fahren sie per Mausklick Wasserkraftturbinen binnen Sekunden hoch- und wieder runter, mal muss der Reservedampf eines Kohlemeilers schnell zu Strom gemacht werden, dann wieder erhält der Leiter des konzerneigenen Kraftwerksparks die Aufforderung, eines seiner Atomkraftwerke zu drosseln.
Noch vor drei Jahren, so berichtet der Meister der Strombalance, »war das eher langweilig«. Fast alles lief nach Plan, der Elektrizitätsbedarf der Massengesellschaft ist vorhersagbar und den Saft lieferten die E.on-Kraftwerke. Doch seitdem Strom europaweit wie eine Ware gehandelt wird und Wind-, Wasserkraft- oder Biogasanlagen Vorfahrt bei der Stromlieferung haben, ist alles anders. »Jetzt toben sich in unserm Netz alle möglichen Leute aus«, freut sich Wallura. »Nun ist immer was los, das macht es interessant.«
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