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Date: June 22, 2007 at 03:35:55
From: Rhanie, [203.111.236.49]
URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,490006,00.html
Subject: Hätt da mal ne Frage zur Forenhaftung

Hallo!

Angeregt durch folgenden Beitrag:

http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,490006,00.html

Stellt sich mir die Frage, für was jetzt eigentlich die Deutsche Rechtssprechung gilt.:
1) Für ne .de Domain? (WWW.Fatty-fuels.ph :) )
2) Wo der Server steht? (sollt auch kein grosser Act sein.)
3) Gerichtsstand des Betreibers? (Die Phils haben kein Rechtshilfeabkommen mit D.)

Ihr könnt euch ja vieleicht vorstellen, das ich nicht direkt scharf darauf bin mich mit irgendwelchen Linksidioten in D rumzustreiten, schliesslich bin ich ja hier, weil ich den Kindergarten satt hatte, auch muss es ja nicht unbedingt sein, den Admin C mit sowas die Laune zu verderben.

Also "was tun sprach Zeus!"

FOREN-HAFTUNG
Gnadenlose Richter gefährden Web 2.0 in Deutschland
Von Konrad Lischka

Wenn ein Webseiten-Beitreiber in Deutschland vorm falschen Gericht landet, haftet er für Schimpftiraden Unbekannter auf seiner Seite - egal, ob er sie übersehen oder sofort gelöscht hat. Veröffentlichung genügt. Deutschland ist ein Risikogebiet fürs Web 2.0.

Martin Geuß ist sich seiner Sache sicher: Er kann als Inhaber einer Internet-Seite ja wohl nicht dafür haftbar gemacht werden, wenn dort irgendein Unbekannter über eine Firma schimpft. Wenn zum Beispiel jemand schreibt, die "Luftrettungs-Service-Vermittlungs GmbH" sei eine "Betrügerfirma", eine "Hubschrauber-Mafia", die angeblich schon einmal jemand verklagt habe.


Flickr-Zensur: Filtert das Fotoportal aus Angst vor der deutschen Forenhaftung?
Soll Geuß denn alle Kommentare in den Foren seiner privaten Seite vorab lesen, prüfen und gegebenenfalls löschen? Wer Unsinn schreibt, ist doch selbst dafür verantwortlich. Das sagt einem der gesunde Menschenverstand.

Das sagt aber nicht das Landgericht Hamburg. In einem aufsehenerregenden Urteil stellt es Ende April fest: Martin Geuß haftet für die unwahre Tatsachenbehauptung, die Luftrettungs-Firma sei schon mal verklagt worden. Er haftet, auch wenn er keine Kenntnis von dieser Äußerung hatte. Er haftet, auch wenn er sich diese Äußerung nicht zu eigen macht. Er haftet, weil irgendjemand diesen Unsinn auf seiner Internet-Seite hinterlassen hat. Störerhaftung heißt das - der deutsche Begriff lässt allen Mitmach-Portalen den Angstschweiß ausbrechen.

Mitmach-Portale: in Deutschland riskant

Denn dieses Urteil stellt die Funktionsweise sämtlicher Web-2.0-Angebote in Frage: Wo immer Nutzer Inhalte einstellen, muss der Plattformbetreiber Klagen befürchten. Störer kann nach deutscher Rechtssprechung jeder sein.

Jörg Heidrich, Justiziar des Heise-Verlags (verlegt Computer-Fachmagazine wie die 'ct, betreibt ein Forum mit etwa 200.000 neuen Kommentare pro Monat) beschreibt das Ausmaß gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Dies gilt nicht nur für Foren und Blogs mit Kommentarfunktion oder die Wikipedia. Betroffen ist vielmehr der gesamte Bereich des sogenannten Web 2.0."

Klagen können teuer werden

Diese Einschätzung teilen viele Web-2.0-Unternehmen. Stefan Glänzer, Aufsichtsratsvorsitzender des Musikdienstes Last.fm sagt zu SPIEGEL ONLINE: "Es gibt nur wenige Länder mit so strikter Forenhaftung. Unter den großen Industrienationen liegt Deutschland vorne." Entsprechende Urteile können für betroffene Unternehmen zu einem finanziellen Problem werden. Heise-Justiziar Heidrich skizziert die Folgen bei einer Niederlage vor Gericht: "Bei rechtswidrigen Foreninhalten kann das Unternehmen sich leicht mit fünfstelligen Beträgen konfrontiert sehen."


ZUM THEMA IN SPIEGEL ONLINE
Google: Schrei nach Liebe (21.06.2007)
Zwangsfilter: Flickr verbietet Deutschen Nacktfotos (14.06.2007)
Mitmach-Netz: Flickr filtert den Protest (19.06.2007)
Foto-Portal: Jugendschützer: Flickr-Filter nach deutschem Recht nicht nötig (21.06.2007)Teuer kann es auch werden, wenn ein Forenbetreiber eine Unterlassungserklärung abgibt, sich damit verpflichtet, dass die beanstandeten Inhalte nicht noch einmal auf seinen Seiten auftauchen. Wenn dann ein Nutzer doch wieder derartiges postet, ist die Vertragsstrafe fällig. Aktueller Fall: Die TV-Produktionsfirma Callactive (verantwortlich für Gewinnspiel-Sendungen wie "Money Express" für Viva und andere Sender) verklagt den Betreiber des Internet-Forums "Call-in-TV.de" auf 20.693,70 Euro Vertragsstrafe, weil dort wieder jemand behauptet hat, es habe Scheinanrufe zwecks Spieleranimierung bei den Spielsendungen der Firma gegeben.

Schuld ist ein Kaugummi-Gesetz

Der Grund für diese Rechtsunsicherheit ist ein schwammig formuliertes Gesetz. Der entsprechende zehnte Paragraph des Telemediengesetzes sagt "Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich". Der Begriff "Verantwortlichkeit" ist im deutschen Recht allerdings nicht klar definiert - gebräuchlich ist "Haftung". Deshalb können und müssen Gerichte den Gesetzestext interpretieren, wenn jemand auf Unterlassung klagt oder seine Rechte verletzt sieht.

Die Folge: "Richterrecht ist dehnbar. Jeder Fall ist anders und lässt Einfallstore für Haftungsverschärfungen zu", erklärt Sascha Kremer, Anwalt und Lehrbeauftragter für Informationsrecht an der Universität Düsseldorf. Abhilfe würde erst ein neues, klares Gesetz schaffen. Kremer: "Bis dahin gibt es weiterhin eine Einzelfalljustiz, die ein erhebliches Nord-Süd-Gefälle aufweist."

Die Folge: Eine Prozess-Lotterie

Tatsächlich entscheidet das Landgericht Hamburg häufig zu ungunsten von Forenbetreibern. Diesen Spielraum hat der Bundesgerichtshof mit seiner Grundsatzentscheidung geschaffen, Forenanbieter könnten für Äußerungen Dritter haftbar gemacht werden. Voraussetzung laut BGH: Es muss zumutbar und technisch machbar sein, die Inhalte der Webangebote zu überwachen.

Was machbar ist, legt zum Beispiel das Landgericht Hamburg sehr großzügig aus. Bestes Beispiel ist das sogenannte Heise-Urteil. Dabei ging es um einen Kommentar im Forum des IT-Verlags. Heise-Justiziar Heidrich: "So sagt etwa das Landgericht Hamburg, es sei dem Heise Verlag zumutbar, ein Forum mit 200.000 Einträgen im Monat zu überwachen."

Unternehmer filtern aus Angst

Unternehmer sind ratlos angesichts dieses Kaugummi-Gesetzes. Stefan Glänzer, der vor Last.fm schon das Auktionshaus Ricardo gegründet hat, kommentiert: "Das ist ein massives Problem, denn an welcher Rechtssprechung soll man sich als Unternehmer orientieren?" Arne Trautmann, Münchner Anwalt für IT-Recht, sieht bei Web-Unternehmen eine massive Verunsicherung. Unternehmensjuristen würden "wie alle anderen auch keine wirklich verlässliche und absolut sichere Grundlage für die Beratung ihres Arbeitgebers sehen." Die Folge: "Unternehmen reagieren dann eben mit Filtern wie Flickr (mehr...), Angebotsschließungen wie Ebay oder manchmal auch Trotz wie Heise."

Diese Rechtsunsicherheit ist ein deutsches Unikum. Die EU-Richtlinie, auf der das deutsche Teledienstgesetz (Vorläufer des heutigen Telemediengesetzes) beruht, hat in keinem anderen Mitgliedsland derart verheerende Folgen wie in Deutschland, urteilt Heise-Justiziar Heidrich. Als Grund sieht er eine "verhängnisvolle Kombination von Rechtsinstrumenten wie der Abmahnung und der Störerhaftung - die gibt in dieser Form nur in Deutschland."
2. Teil: Amerika, Du hast es besser: US-Gesetz schützt Web-2.0-Firmen

US-Richter schützten Forenbetreiber

In den Vereinigten Staaten Beispielsweise haben Klagen gegen Forenbetreiber keine Chance. Dort müssen die Betroffenen die Urheber direkt angehen. Hintergrund: Der US-Gesetzgeber hat sein Gegenstück zum Teledienstgesetz präziser formuliert. Der "Communications Decency Act" (CDA) von 1996 schützt Seiten-Betreiber gegen fast jede Haftung für Inhalte Dritter. Einzige Ausnahmen: Jugendschutz und Urheberrecht. Klagen wegen beleidigender Kommentare, peinlicher Fotos und derlei haben in den Vereinigten Staaten hingegen keine Chance.

Alle entsprechenden Versuche sind gescheitert. Jüngstes Beispiel: Der Oberste Gerichtshof von Kalifornien in San Francisco entschied Ende November vorigen Jahres in einem Prozess, in dem es um beleidigende Artikel über zwei Mediziner ging. Die Ärzte kritisieren alternative Heilmethoden. Tim Bolan, Pressesprecher einer Heilpraktikerin, verbreitet in Artikeln die Lüge, dem Mediziner Barrett sei die Zulassung entzogen worden. Einen dieser Texte stellt die Beklagte Ilena Rosenthal in Internet-Foren ein. Medziner Barrett verklagt sie - und scheitert vorm Obersten Gerichtshof von Kalifornien. Die Richter gehen dabei in Sachen Forenhaftung weiter als alle Gerichte vor ihnen: Sie sagen, dass der CDA nicht nur Foren-Betreiber von der Haftung für die Äußerung Dritter freistellt, sondern auch Kommentatoren, die lediglich die Meinung anderer wiedergeben.

Dass Foren-Anbieter nicht für Nutzer-Kommentare haften, hat bereits 1997 der Oberste Gerichtshof der USA entschieden. Damals hatte ein Privatmann den Internet-Provider AOL verklagt, weil er in AOL-Foren immer wieder verleumdet worden war. Das Urteil ist am 12. November 1997 gefallen. Freispruch für AOL. Da war das merkwürdige deutsche Teledienstgesetz gerade mal ein paar Wochen in Kraft.

Gruß Rhanie.

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