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Date: September 07, 2008 at 12:18:57
From: Werner, [p50886103.dip.t-dialin.net]
Subject: Danke . . .

. . . .für das psychologische Gutachten.

Eine Sache ist allerdings ein Mißverständnis. In Dein Rennauto einzusteigen, wäre für mich nicht das Problem, weil ich genau den Eindruck habe, den Du gesagt hast. Aber ein wenig Kribbel wärs schon und das wollte ich zum Ausdruck bringen - sozusagen ein Ausdruck der Bewunderung. Sicher etwas unbeholfen - arbeiten wir noch dran.

Walter Röhrl hat sich auch mal des längeren über die Rallyefahrer und das Verhältnis zum Auto geäußert. Damals hat man ihn auch noch ausreichend lange reden lassen, weil die Zuschauer noch keine 27 anderen ZAPP-Kanäle hatten. Sowas ist nachvollziehbar und mündet in dem Eindruck: "Der weiß, was er tut."

Die Pilotenvereinigung Cockpit hat eine anonyme Umfrage gemacht, ob die Crew immer sicher ist, was der Autopilot gerade macht. Ca. 50% der Befragten gaben an, im Schnitt zweimal pro Woche eine Situation zu haben, wo ihnen nicht klar ist, warum die Maschine dies oder jenes tut. Fragen kann den Job kosten - befürchtet man. Und außerdem ist es alles andere, als leicht, jemanden zu finden, der auch kompetent antworten kann. Das ist für mich schon das erste Stadium von "lost control". Ich gebe auch freimütig zu, daß mich das beunruhigt. Typisch für Menschen, die nicht loslassen können. Ich sollte vielleicht mal mit meiner Hausdomina darüber sprechen. ;)

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Die Anlage, die ich in den letzten 5 Jahren bearbeitet habe, hatte auch einen fetten Steuerungscomputer, durch den niemand so recht durchblickte. Die neue Steuerung wurde also auf Basis von alten Unterlagen, Erzählungen, Gerüchten, Meinungen, Rechthabereien, gelegentlich auch technischen Notwendigkeiten - oder was man so dafür hält, Herstellerinformationen etc. erstellt.

Zunächst hat nichts funktioniert, wie das ja heutzutage üblich ist beim Aufbau etwas komplexerer Systeme. Dann sind unzählige Check-Trupps durch die Anlage gezogen und haben ordnerweise Papier erstellt, Protokolle, Berichte, alles für den Ofen - schaut niemand rein.

Und irgendwann hat Wännä, der kleine Planer und Inbetriebnehmer gesagt: "So gehen wir nicht in Betrieb. Ich schalte hier nichts ein. Wer es tun will, soll es machen, ich helfe auch nach Kräften dabei . . . ."

Plötzlich hatte keine mehr Arme, Hände schon gar nicht. "Uns fehlte eine Einweisung, das Ding zu bedienen" höhöhöhööö!! Ein Siemens PCS7 ist ja auch so schwer zu bedienen! Ohne jahrelanges Studium der Informatik kommt man da nicht weiter. Ich habe nur gesagt, daß ich keine Einweisung geben werde, weil die Steuerung nicht funktioniert.

Nach zwei Tagen wurden die ersten Manager hart und erklärten mir erstmal, daß der Nichtbetrieb der Anlage täglich 20.000 EUR verschlingen würde. Ich zeigte mich beeindruckt.

Dann wurde mir erklärt, es seien schon die hohen Herren im Vorstand nervös und drohten mit Konsequenzen. Ich zeigte mich wieder beeindruckt.

Dann bekam mein Auftraggeber böse Briefe, was dennn nun sei. Er bekam das Hosenflattern, vermied aber, mich zu beeindrucken, weil er schon vorher wußte, was dabei rausgekommen wäre.

Und dann irgendwann drehte sich die Geschichte und ich wurde mit den Automatisierern zusammengesetzt. Nach drei Tagen war dem ausführenden Steuerungstechniker erstmal im Groben klar, wie das ganze überhaupt ablaufen sollte. Und nach weiteren zwei Tagen (und Nächten) haben wir die ersten Sequenzen eingeschaltet und probegelaufen. Natürlich kamen noch Fehler, aber die Situation "was macht er (der Computer) denn jetzt??" war überwunden. Die Fehler konnten sehr schnell nachvollzogen werden und auch entsprechend abgestellt - sind auch bis jetzt nicht wieder aufgetreten.

Nun läuft das Baby seit 6 Wochen und produziert. Die Bediener haben in der Meßwarte einen Fernseher angebracht und streiten sich ums Programm. Der Rest ist boring. Aber wenn eine Frage auftaucht ( so im Schnitt einmal pro Woche), kann ich sie ihnen erklären und bei einer Störung wird nichts "probiert", sondern nachvollzogen und abgestellt.


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Rallyefahren und UL ist für mich aber doch noch ein Unterschied. Der Rallyefahrer will erster sein (typisch Mann) und sich in Gedanken den besten Platz bei seiner Anima erobern. Beim UL-Fliegen geht es einfach nur um Genuß - Zeit spielt keine Rolle. Abheben vom Boden, das Ganze aus einer anderen Perspektive betrachten, sich später wieder niederlassen und ohne Leistung das ganze Höhenpotential ausschweben bis alles zum Stillstand gekommen ist - dann kann man wirklich loslassen und noch eine Weile innerlich schweben.

Sicherlich werden die UL-Materialien auch hoch belastet. Sie dürfen nichts wiegen, sollen aber den schweren Motor und den schweren Piloten halten. Aber die 4,5-fache Sicherheit haben sie nunmal und die wird im Betrieb niemals gebraucht. Beim Rallyefahren geht man an die Grenze, um schnell zu sein. Da hilft kein Carbon oder Superstahl - die Belastung wird eben doch irgendwann mal übertrieben.


Gruß

Werner

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