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Date: September 07, 2008 at 23:56:05
From: Werner, [p50886103.dip.t-dialin.net]
Subject: Die Seitenwindlandung

Moin Rhanie,

Prof. Dr. Wännä erklärt:

Wenn der Wind von der Seite kommt, dreht man das Flugzeug mit der Nase in den Wind und fliegt so genau entlang der Runway => simpel. Wenn aber die schräg gestellten Räder den Boden berühren, gibts nicht nur megakreisch, sondern auch eine schlecht zu führende Maschine. Flugzeugfahrwerke sind keine Rallyegestelle, allein die Bugradsteuerung ist schon sowas von gefühllos. Dazu ist die Belastung auf den Rädern nicht einheitlich, die Fuhre wiegt 150 Tonnen, "fährt" 230 km/h und berührt den Boden aber nur mit 10 bis 20 Tonnen, das ganze auch noch ungleich verteilt. Die ABS-Systeme sind für die Flugzeuge entwickelt worden und haben dort schon in den 60ern funktioniert. Es hat nur etwas gedauert, bis die Elektronik so klein und so billig war, daß man sie auch in PKWs setzen konnte.

Also kurz und gut, die Nase soll beim Aufsetzen in die Richtung der Bahn zeigen. Wie schaffen wir das? Bei der klassischen Methode läßt Du den rechten Flügel (bei Wind von rechts) etwas hängen und verhinderst mit dem Seitenruder links, daß die Maschine in den Wind dreht. Das ist eine saubere Sache, der rechte Flügel ist beim Aufsetzen schön tief und wenn der böse Wind nochmal auffrischt, drückt er das Flugzeug eher nach unten, als VON unten drunter zu fassen - wie man es auf dem Video ja sieht.

Die Amis landen immer so. Bei den Airlinern heißt es auch "amerikanische Landung". In You Tube sind zahlreiche Beispiele von echt sauberen Seitenwindlandungen bei richtig extremen Verhältnissen. Allerdings gleitet das Flugzeug natürlich schlechter, wenn es mit Seitenwind "schiebt". Wenn man das beachtet, kann man den Effekt nutzen. Mit etwas mehr Gas anfliegen, Kiste anstellen und runter. Kaum Gas weg, sitzt die Karre und geht auch nicht mehr hoch. Beim UL sehr anzuraten, denn das Wiederabheben bei böigem Wetter ist ne ziemlich miese Nummer.

Die Strömung rubbelt am Rumpf entlang, die Sitze sind alle schief. Kein schöner Zustand für die Passagiere! Da sann die Lufthansa auf Abhilfe. Allerdings nicht so ganz freiwillig, denn das Urmuster der Jets, die B707 war mit der Standardseitenwindmethode nicht zu landen. Die Triebwerke waren so tief angebracht, daß sie sehr schnell Bodenberührung kriegten und außerdem vertrug die damalige Jet-Technik keine Schräganströmung. Man mußte also waagerecht anfliegen und kurz vor dem Aufsetzen das Flugzeug auf die Bahn ausrichten. Ein Vorgang, der auf dem Airbus-Video gut zu sehen ist.

Wenn man also gut ist (und das sind LH-Piloten per Nomen), dreht man genau im Aufsetzpunkt die Maschine aus dem Wind und sitzt. Sofort die Störklappen raus und der Seitenwind hat keine Chance mehr, die Kiste von der Bahn zu pusten. So weit, so gut. Aber wie dreht man einen solch großen Vogel so rasch rum? Mit den Triebwerken!, anders geht es gar nicht. Das Seitenruder ist nicht so wirksam, daß man solche starken Drehimpulse zustande kriegt. Jet-Triebwerke reagieren träge, wirst Du sagen, wie geht das? Stimmt, beim Aufregeln dauert es Sekunden, bis mal Schub kommt, aber beim Abregeln schweigen sie sofort. Man fliegt also mit ca. Halbgas und vollen Klappen an und reißt kurz vor dem Aufsetzen einen Hebel zurück. Das Flugzeug dreht und setzt sich und man reißt den anderen Hebel auch zurück. Mit der Schubumkehr wartet man lieber noch, bis wenigsten die Hälfte des Anpreßdruckes erreicht ist.

Klingt alles einfach und genial, ist aber im Timing sehr schwierig. Würde man in großer Höhe ein Flugzeug mit Halbgas aushungern bis zum Durchsacken und dann ein Triebwerk wegnehmen, dann wäre das Abkippen mit Trudeln sozusagen vorprogrammiert. Nur der rettende Asphalt, der nach den Rädern greift, verhindert dies.

Bei dem Airbus hat das Mädel also versucht, eine Lufthansa-Seitenwindlandung zu machen. Man sieht deutlich den extrem starken Drehimpuls während des Ausetzens, der aerodynamisch die Einleitung zum Trudeln bedeutet. Leider saß das Dingen aber noch nicht sicher auf der Bahn und gleichzeitig blieb der Wind auch noch ne zusätzliche Schüppe unter den rechten Flügel. Links brach die Strömung zusammen und die Fläche knallte auf den Boden (es gibt im I-Net Fotos von der linken Tragfläche) und rechts war der Antrieb noch auf 50% und die Strömung der voreilenden Fläche richtig gut, was zu Auftrieb führte und zur Schrägstellung, wo dann der auflebende Wind richtig gut drunter fassen konnte. Hätte der Airliner noch etwas höher gehangen zu der Zeit und wäre die Flächenspitze ins Gras gegangen, dann hätte sich die ganze Kiste vermutlich richtig nach links rumgedreht und wäre mit der Nase auf den Boden. Der Segelflieger nennt das: "ein Rad schlagen" Das Flugzeug stellt sich dann auf die Nase quer zur Flugrichtung und der starke Seitenwind pustet es von hinten einfach um. Bei sowas fallen die Dinger dann aufs "Kreuz" und das hätte für diese Landung vermutlich ein paar Tote bedeutet.

So ist der Flügel nur auf die nasse Piste und dort geglitten, aber nicht hängen geblieben. Sie haben ja sofort Gas gegeben und die moderen Triebwerke bringen auch fast sofort Power, sodaß der Vogel gleich wieder in den Wind ging und mit dieser immer noch andauernden Extraprise auch gleich etwas Höhe gewann. Ist also verdammt gut gegangen.

So! Wo war jetzt der Fehler vorher? Mein Fluglehrer sagte immer: "mach nicht zuviel! Auf jede Böe folgt eine Gegenbö. Laß das Flugzeug fliegen und korrigier nicht jeden Scheiß!"

Wenn Du Dir das Video ansiehst, stellst du fest, daß schon weit vor dem Aufsetzen die Maschine einmal richtig in den Wind dreht (also nach rechts) und von der Pilotin korrigert wird. Das war im Grunde schon der Fehler! Die Gegenböe MUSSTE EINFACH KOMMEN. Wenn man ein Layout des Flughafens hätte, bin ich überzeugt, daß in der Zone, wo das Flugzeug durchflog, irgendein Gebäude oder sowas stand, was den Wind etwas abgeschatte hat. Der Airbus flog also in eine Zone geringeren Seitenwindes und die Co-Piloten korrigierte den resultierenden Schlenker. Da die Gesamtenergie nun geringer war, sank der Vogel auch sichtbar gut durch. Genau im Abfangpunkt war das Lee des Hindernisses durchflogen und der Seitenwind blies genau wieder mit Originalstärke. Zu dumm, daß die Co gerade die Drehung eingeleitet hatte und den Flieger durchplumpsen lassen wollte. Nun gab es richtig einen von der Seite und die Gesamtenergie schwoll wieder an - führt also auch zum Wiederabheben. Bööööse Falle, aber vorraussehbar.

Man hätte entweder mit etwas mehr Schub flacher anfliegen müssen nach der ersten Bö und geduldig auf die "Gegenbö" warten müssen, um dann die Lufthansa-Landung einzuleiten. Oder man hätte bei dem Gehampel auf die amerikanische Methode umsteigen müssen und den Flügel rechts schööön hängen lassen müssen. Ist zwar nicht angenehm, aber sicher! Dann hätte nämlich der wiederauflebende Wind die Karre auf den Boden gedrück und fäddisch! Insgesamt also keine guten Noten für diese Landung.

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Warum soll ein Pilot einen bereits geschlossenen Airport anfliegen? Ganz einfach, wenn Rhodos wegen Sturmes die Pforten schließt, ist es ja nicht bei Strafe verboten, zu landen. Das ist wie bei einer Straßenüberschwemmung. Da steht die Polizei und sagt: "Hier kommen Sie nicht durch!" Du aber sagst: "Pah, hab 4-Wheel-Drive, hochgelegten Luftfilter und so weiter " und du fährst einfach. Kommst du durch, ist es gut. Kommst Du nicht durch, darst Du dich nicht beschweren und zahlst je nach dem für deine Autoentsorgung ganz kräftig. Habs gesehen am Rhein: ein Zitronenfahrer meinte, er kanns und fuhr mit der Hydraulik sein Auto auf ganz hoch. Dann rein ins Wasser und auch ziemlich weit gekommen. Doch dann spuckt der Motor und die Karre ist aus. Die Hydraulik verliert den Druck und die Fuhre senkt sich so richtig unter Wasser :). Wir sind mit dem hochrädigen THW-LKW vorbei und haben gesehen, wie er geduldig wartete, bis das Wasser zum Bauchnabel gestiegen war, damit er die Scheißtüre aufkriegte gegen den Wasserdruck. Abends war vom Citroen nur noch das Dach zu sehen. Am nächsten Tag gar nichts mehr. Der Junge mußte wegen Öl im Rhein und so weiter richtig latzen. Das Auto war Schrott, stank nach zwei Tagen wie eine Jauchegrube und die Polizei hatte ihn gewarnt.

Also so ist das auch mit den Airlinern. Wenn der Germania-Pilot bei Sturm einen Anflug riskiert, sagen ihm die Controller: "Tu, was dich glücklich macht, aber wir haben dich gewarnt!" Toll ist natürlich, daß zu solchen Zeiten keine anderen Maschinen mehr im Luftraum sind. Der Selstmord-Aspirant hat also freie Bahn. Nun könnte ja genau im Moment des Anfluges der Wind etwas abflauen und ihm die Landung ermöglichen. Oder er ist eben der geniale Cowboy, der es einfach drauf hat und die Kiste auch außerhalb ihrer Limits runterkriegt.

Dann ist er nämlich der Held des Tages. Schafft er das zweimal im Monat, dann gibts n Sonderlob und mehr Geld. Fallen Gebühren an für die unerlaubte Landung, dann zahlts die Airline. Meist passiert gar nichts. Das ist das Ding, auf das die Airlines setzen. Ein richtige Pilot mit Biß und Korn probiert es halt, auch wenn es nicht mehr geht. Er sagt dann den Passagieren, er hätte es für sie getan. Der Hintergrund ist aber bedeutend mieser. Es geht einfach um Geld.

Deshalb schreiben die Airlines den Jungens vor, wenigestens einmal den Anflug zu versuchen und sich vor Ort zu überzeugen, daß es wirklich nicht geht. Man setzt natürlich ganz klar darauf, daß sie es dann doch versuche - wo sie doch schon mal da sind und auch runter wollen.

Wenn der junge, unerfahrene Co sich dann beliebt machen will, braucht er nur zu sagen: "Also ich hätte die Kiste da runtergebracht!" Sowas fördert Freundschaften im Cockpit, die ein Berufsleben lang anhalten können ;).

Also wie gesagt, die Typen stehen gewaltig unter Druck. Die Zeiten sind längst vorbei, wo an erster Stelle die Sicherheit, an zweiter Stelle der Passagier und der Flugkomfort, an dritter die Pünktlichkeit, an vierter die Stewardess und an fünfter vielleicht die Wirtschaftlichkeit des Fluges stand.

Heute kommt zuerst das Geld, dann der Termindruck, evtl. noch die Stewardess und gaaaanz hinten mal der Passagier und sein Sicherheitsbedürfnis.


Gruß

Werner

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