Date: May 02, 2010 at 13:31:33
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Subject: Mikroalgen Fressfeinde des Klimagases
Hallo!
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Mikroalgen
Fressfeinde des Klimagases
Von Henning Zander
Die Energieriesen entdecken ihre Liebe für Algen und Einzeller, denn sie können CO2-Abgase aus Kohlekraftwerken kurzerhand fressen. Aus der Pflanzen- und Zellenpampe gewinnen die Konzerne Biosprit und Bausubstanzen. Das Potential ist groß - jetzt starten zahlreiche Forschungsprojekte.
In den grünen Schläuchen wird gearbeitet. Gegen den Klimawandel. Mikroalgen sorgen dafür, dass die Abgase aus dem benachbarten Braunkohlekraftwerk Niederaußem etwas sauberer werden. Sie ernähren sich vom CO2, das in den Gasen enthalten ist. Im Augenblick ist es nur ein Test des Energieversorgers RWE, der zusammen mit der Jacobs University Bremen und dem Forschungszentrum Jülich durchgeführt wird. Rund zwölf Tonnen CO2 binden die Mikroalgen pro Jahr.
Bezogen auf den vom WWF geschätzten Gesamtausstoß des Kraftwerks von 27 Millionen Tonnen ist das verschwindend wenig. Und dennoch will sich Projektleiter Laurenz Thomsen, Professor an der Jacobs University, nicht entmutigen lassen. "Noch sind wir in der Testphase. Das Modell kann aber in Zukunft für kleinere Kraftwerke durchaus interessant sein und dort einen substantiellen Anteil an der CO2-Reduzierung haben."
Die deutschen Energieversorger haben die biologische Abgasreinigung von CO2 für sich entdeckt. Nicht nur RWE erforscht das Potential der Technik. E.on Chart zeigen betreibt in Hamburg eine Testanlage, Vattenfall will ein ähnliches System im Juni in Brandenburg aufbauen. Viele Stadtwerke arbeiten ebenfalls an Lösungen.
Die Idee ist bestechend: Anstatt das CO2 einfach in die Atmosphäre zu blasen, wird es an die Algen verfüttert. Das Klima schonen und dabei noch etwas verdienen: Für die Versorger ist das ein reizvoller Gedanke. Doch ob er tatsächlich Realität wird?
Mittelfristig ist es günstiger, Verschmutzungsrechte zu erwerben
Noch ist die Energieausbeute gering. Mit der Technik von Niederaußem können maximal etwa hundert Tonnen Algenmasse pro Hektar und Jahr produziert werden. Dabei werden etwa 200 Tonnen CO2 aus den Abgasen gefiltert. Um wirklich einen Effekt zu erzielen, müssten die Algenkulturen neben durchschnittlichen Braunkohlekraftwerken also schon mehrere Quadratkilometer groß sein. Ob sich derart große Flächen in der Nähe von Kraftwerken in Deutschland finden lassen, ist ungewiss.
Günstig ist die Technik nicht: Pro Quadratkilometer sind rund 15 Millionen Euro Investitionskosten fällig. Zudem wird für den Betrieb der Anlagen wiederum Energie benötigt. Nach Thomsens Berechnungen liegt die Effizienz seiner Anlagen derzeit bei rund 75 Prozent. Um 100 Kilo CO2 zu absorbieren, müssen rund 25 Kilowattstunden Energie aufgewendet werden. Dies entspricht bei einem Braunkohlekraftwerk ungefähr 25 Kilogramm CO2.
Mittelfristig wird es für die Energieversorger billiger bleiben, Verschmutzungsrechte zu erwerben als CO2 über Algen aus den Abgasen zu filtern. Für eine Tonne CO2-Ausstoß hat RWE im vergangenen Jahr etwa 24 Euro bezahlt. Doch die Energieversorger sehen den Nutzen des Verfahrens nicht ausschließlich in der CO2-Verminderung - sie wittern eine günstige Rohstoffquelle.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Aus den Algen kann Bioethanol und Biodiesel hergestellt werden. Auch Baustoffe etwa für die Wärmedämmung sind denkbar. In der chemischen Industrie finden sich ebenfalls Einsatzmöglichkeiten
So stehen für das aktuelle Pilotprojekt von Vattenfall in Brandenburg am Heizkraftwerk Senftenberg denn auch Erkenntnisse über eine mögliche Weiterverwendung der Algen im Vordergrund. Beim Konzern wird über Futterergänzungsmittel bis hin zu Lieferungen an die chemische Industrie nachgedacht.
Weniger wichtig wird die Umwandlung in Biotreibstoffe angesehen. Bisher können die Algen auf diesem Gebiet nicht mit den anderen Biomasseträgern konkurrieren. Raps, Zuckerrohr und ähnliche Rohstoffe sind schlicht billiger zu haben.
Dabei wäre das Potential der Algen auf diesem Gebiet enorm: Pro Jahr kann auf derselben Fläche bis zu 20-mal mehr Biomasse erzeugt werden als mit herkömmlichen Pflanzen. Zudem verdrängen die Algen keine Nahrungspflanzen. Auch der Wasserverbrauch spricht für sie. Sie müssen nicht mit kostbarem Süßwasser gegossen werden, sondern fühlen sich in Salzwasser pudelwohl. Deshalb wird weiter in die Erforschung der Algen investiert.
Auch Einzeller sind CO2-Fresser
Die Potentiale sind damit noch nicht ausgeschöpft: Bald könnten noch andere Kleinstlebewesen in der CO2-Bekämpfung für Furore sorgen. Acidianus ambivalens beispielsweise. Der Einzeller lebt als bräunlich glitschiger Bewuchs im für sein Heilwasser bekannten Kochbrunnen gegenüber vom hessischen Landtag.
Viel mehr als etwas Schwefel und CO2 braucht Acidianus ambivalens nicht zum Leben. Außerdem fühlt er sich auch bei Temperaturen von rund 80 Celsius noch ganz wohl. Es sind diese Eigenschaften, die die Biotechnologiefirma Brain aus Zwingenberg in Hessen auf den Einzeller aufmerksam werden ließen.
Brain ist im Auftrag von RWE auf der Suche nach Mikroorganismen, die gegenüber Algen eine Alternative darstellen könnten. Denn während Algen nur an der Wasseroberfläche am Licht richtig gedeihen, was einen enormen Flächenverbrauch zur Folge hat, kommen Organismen wie Acidianus ambivalens auch im Dunkeln ganz gut klar. Bioreaktoren mit dem Einzeller könnten damit von einer ganz anderen Dichte an Lebewesen bevölkert sein. Deren vorderster Lebenszweck besteht darin, CO2 zu verzehren.
Neben dem Einzeller kämen noch rund 60 weitere Organismen dafür in Frage. Sie alle können nicht nur CO2 binden, sondern produzieren sogar für die Chemie interessante Substanzen. Noch hapert es an der Leistungsfähigkeit. Brain will diese mit genetischen Veränderungen weiter steigern. Die Kooperation mit RWE ist auf drei Jahre angelegt. Ziel sei es in dieser Zeit eine erste Pilotanlage am Braunkohlekraftwerk Niederaußem aufzubauen, sagt Martin Langer, zuständig bei Brain für die Unternehmensentwicklung. Hier ließe sich testen, wie effektiv die Organismen beim CO2-Abbau arbeiten. Und ob sie die richtige Waffe im Kampf gegen das Klimagas sind.
Gruss rhanie.
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