Date: September 05, 2012 at 17:42:15
From: Werner, [p5b37bc41.dip.t-dialin.net]
Subject: Ja, das denkt man

Moin Cheffe, es gab vor ein paar Jahren einmal eine Untersuchung der Pilotenvereinigung Cockpit. Dort wurden Piloten gefragt, ob sie zu jeder Zeit im Bilde seien, was die Maschine tut. Anwort: Nein! Nicht einer der Befragten konnte guten Gewissens sagen, daß er jederzeit im Bilde ist, was gerade abgeht. Mehr als 55% (!!) der Leute sagten, sie hätten jede Woche mindestens einmal das unwohle Gefühl, daß der Computer irgendwas macht, was sie nicht verstünden - was dann aber letztlich doch keinen Unfall verursacht. Was ich damit sagen will: wer blickt bei diesen Technikmonstern noch wirklich durch ? Niemand ! Piloten werden nicht ausgebildet, sie werden trainiert. Das bedeutet, daß sie reflexartig und nach Prioritäten sortiert, genauestens vorgegebene Handlungsabläufe abspulen müssen, die keine eigenen Spielräume dulden. Auf alles und jedes werden sie trainiert, aber manches ergibt sich eben doch erst durch blöde Zufälle in der Flugpraxis. Dann siehts mit den Helden der Lüfte häufig gar nicht mehr so gut aus. Ein Airbus 320 hat inzwischen über 70 Ammendments, die der Pilot vor dem Start überprüfen muß, d.h., irgendwann ist mal irgendwas in den Flieger zusätzlich mit reingekommen, weil eine Hydraulik versagt hat, weil eine Klappe klemmte, weil ein Gerät gesponnen hat, weil . . . , weil . . . ., weil . . . . Dann wird irgendwas dazugeschustert und der ganze Kram durch die Behördengänge gejagt. Eine Neuauflage und "gleichmalrichtich"-Konstruktion ? Kannste knigge, viel zu teuer, viel zu lange, bis die Behörden eine neue Zulassung erteilt haben. Und so muß der Pilot listenweise Dinge durchgehen und Knöpfe schalten, die ursprünglich mal gar nicht im Flugzeug waren aber jetzt für den Fall, daß ... und die Situation, welche .. und im Sonderfall XY ... funktionieren sollten. Einen echten Überblick gibt es nicht und mit Logik hat das auch schon lange nichts mehr gemein. Einfach nur stupides und stures Training. Hinterfragen ist hochgradig unerwünscht. Wer mault, riskiert seinen Job - und wer will das schon? Nimm z.B. den Airbus, der im Hudson River gelandet ist. Der Pilot wird als Held gefeiert, was durchaus eine gewisse Berechtigung hat aus meiner Sicht. Der Vorfall "beide Triebwerke bleiben stehen" war in keinem Szenario vorgesehen. Der Mann wußte exakt den Winkel, mit dem das Flugzeug aufs Wasser mußte, um nicht zu unterschneiden und abzutauchen und um nicht erst mit dem Arsch und dann voll auf den Bauch zu klatschen. Beides hätte wahrscheinlich die Rumpfstruktur zerrissen. Also nun, der Mann war u.a. auch Testpilot und hatte Mega-Kenntnisse und er hat das Dingen super ins Wasser gebracht. Aaaber, die Checkliste für Wasserlandungen hatte über 200 Steps und als einer der letzten kam, die Luftaustrittsluken zu schließen, damit kein Wasser eindringt. Tja, und bis zu diesem Punkt sind die Jungs halt nicht mehr gekommen in ihrem Cockpit davorn! Die Liste war für Notwasserungen aus großer Höhe vorgesehen. Hätte einer mal überlegt, was machen wir denn, wenn wir unten sind. "Halt, da sind noch Klappen, wie saufen ab!" . . . dann hätten alle sitzen bleiben können und erstmal warten, bis wirklich genug Schiffe da sind um umzusteigen. Der Hudson River hatte nur wenige Grad über Null, also ein bißchen ungemütlich fürs Badefest. Aber so gehts halt und so passierts und wirds auch immer wieder passieren. Und . . . . ein A380 ist nicht einfacher aufgebaut !! Gruß Werner (der lieber mit selbstgebautem Gerät fliegt)