Date: October 25, 2003 at 17:14:06
From: thomas ziegler, [acb84a51.ipt.aol.com]
URL: Thomas Ziegler
Subject: details zum geschacher um die weltweiten fossilen co2-reduktionen (27k gross!)
Von : Jürgen Grahl
Betreff: Energiemail 8/03: Emissionshandel - Wirkungsloser Aktionismus
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Umweltfreunde,
Nach der Veröffentlichung meines Artikels "Der Emissionshandel -
Eine Alternative zur ökologischen Steuerreform?" im Februar 2002
hatte sich eine ungewöhnlich lebhafte Diskussion entsponnen, zum
einen über die grundsätzliche Bewertung des Emissionshandels, zum
anderen über die (mittlerweile verabschiedete) EU-Richtlinie zum
Emissionshandel. Aus dieser Diskussion heraus ist der untenstehende
Aufsatz entstanden, der auch im Solarbrief 3/03 erscheinen wird. Er
stellt einerseits eine Ergänzung zu o.g. Grundsatzartikel dar (den
Sie unter http://www.sfv.de/lokal/mails/wvf/zerthand.htm oder im
Solarbrief 3/02 auf S. 112 nachlesen können), bemüht sich aber
andererseits, auch ohne dessen Kenntnis möglichst aus sich heraus
verständlich zu sein. Für wertvolle Unterstützung bei der
Zusammenstellung des Artikels danke ich Frau Susanne Jung. Weitere
Informationen zum Thema Emissionshandel finden Sie unter
http://www.sfv.de/lokal/mails/0emissha.htm.
Aufmerksam machen möchte ich Sie ferner auf den "Aktionstag
Erneuerbare Energien", der am Mittwoch, 5. November 2003 in Berlin
in der Nähe des Brandenburger Tores stattfindet und von zahlreichen
Verbänden, u.a. von Eurosolar, Bundesverband Erneuerbare Energie
(BEE), Bundesverband Windenergie (BWE), IG Metall, BUND,
Greenpeace, WWF Deutschland und natürlich vom
Solarenergie-Förderverein (SFV) unterstützt wird. Angesichts der
anstehenden Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)
und der massiven Stimmungsmache gegen das EEG (vgl. Energiemail
7/03) geht es darum, die ökologischen wie auch ökonomischen
Zukunftschancen einer raschen und vollständigen Umstellung auf
erneuerbare Energien ins öffentliche Bewusstsein zu bringen.
Details zum Aktionstag können Sie unter http://www.bee-ev.de
nachlesen.
Herzliche Grüße,
Ihr Jürgen Grahl
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Dr. Jürgen Grahl
Friedrich-List-Straße 4
97218 Gerbrunn
Tel.: 0931-4677652 (privat)
0931-888-4947 (dienstlich)
E-Mail: juergen.grahl@gmx.de
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Emissionshandel - wirkungsloser Aktionismus
Zur EU-Richtlinie zum Emissionshandel vom Dezember 2002
Vorbemerkung: Dass wir uns im folgenden Artikel auf eine Diskussion
über die EU-Richtlinie zum Emissionshandel (Beschluss der
Kommission vom 11.12.2002) einlassen, soll nicht den Eindruck
erwecken, der Solarenergie-Förderverein würde den Emissionshandel
doch noch als sinnvoll akzeptieren, wenn erst einmal gewisse
Schwachstellen und Missstände beseitigt seien. Wir halten das
System des Emissionshandels vielmehr bereits im Prinzip für
ineffizient, untauglich und verfehlt, aus den in mehreren früheren
Artikeln (siehe z.B. Solarbrief 3/02, Seite 112) detailliert
erläuterten Gründen. Auch erheben die folgenden Ausführungen
keinesfalls den Anspruch einer vollständigen und erschöpfenden
Kritik am Beschluss der EU-Kommission, sondern sind lediglich als
Kommentar zu einigen wesentlichen Punkten zu verstehen.
Punkt 1:
Der Sanktionsmechanismus, der die Einhaltung der
festgelegten Emissionsbudgets sicherstellen soll, enthält
Hintertürchen, die seine Wirksamkeit vollends unterminieren
könnten:
Nach der Nennung der bei Nichteinhaltung zu zahlenden Strafe in
Punkt 17 der Begründung heißt es: "Anstatt die Höhe der Strafe für
jede Tonne, die über das zulässige Maß hinaus emittiert wurde,
festzulegen, wenden die Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen die
Richtlinie Sanktionen an, die effektiv, verhältnismäßig und
abschreckend sind." Mit dieser vagen Formulierung ist der
Verwässerung des Sanktionsmechanismus durch die Einzelstaaten Tür
und Tor geöffnet. (Hierbei ist zu beachten, dass der
Emissionshandel mit einem lückenlosen Funktionieren der
Emissionskontrolle und der Sanktionsmechanismen steht und fällt, so
dass bereits ein einzelnes Land, das sich für ein Unterlaufen der
Reduktionsziele hergibt, das gesamte System gefährden kann. Wie
"groß" die Macht der EU-Kommission ist, derartige
Pflichtverletzungen der Einzelstaaten zu unterbinden, dafür liefert
die wiederholte Überschreitung der 3,0%-Defizitgrenze durch
Deutschland ein trauriges Anschauungsbeispiel.)
Unter Punkt 3.1 der Begründung zur Richtlinie findet man konkrete
Aussagen zu der Höhe der Sanktionen. Im ursprünglichen Entwurf der
Richtlinie vom 23.10.2001 war eine Sanktionszahlung von 100 Euro
pro Tonne CO2, MINDESTENS ABER DEM DOPPELTEN DES MARKTPREISES
beabsichtigt. Durch einen von der Kommission akzeptierten
Änderungsantrag wurde dieser Wert auf einheitliche 100 Euro pro
Tonne gesenkt, der Zusatz betreffend das Doppelte des Marktpreises
also gestrichen. Dies bedeutet, dass auch der Preis für
Emissionszertifikate nicht über 100 Euro pro Tonne steigen kann, da
jenseits dieser Schwelle die Nachfrage nach Zertifikaten wegbricht:
Es ist dann billiger, die Strafe zu bezahlen als
Emissionszertifikate zu kaufen. Nach der ursprünglich
vorgeschlagenen Regelung hingegen wäre durch den Faktor 2 zwischen
Sanktionshöhe und Marktpreis sichergestellt gewesen, dass eine
nicht durch entsprechende Zertifikate gedeckte Emission stets
wirtschaftlich unrentabel gegenüber dem Zukauf von Zertifikaten
gewesen wäre. Der Verzicht auf diese Bestimmung schmälert die
ohnehin fragliche Wirksamkeit des Sanktionsmechanismus weiter.
Punkt 2
Da sowohl natürliche als auch juristische Personen mit
Berechtigungen handeln können, werden Spekulationen leicht
gemacht!
Nach Punkt 15 der Richtlinienbegründung kann jede natürlich oder
juristische Person mit Konto in den "nationalen Verzeichnissen"
mit Berechtigungen handeln. Das ermöglicht Spekulationen mit den
Emissionszertifikaten - mit all den destabilisierenden Folgen, die
wir von der Spekulation auf den Finanzmärkten mit Aktien, Devisen
und Optionen kennen (wobei die Spekulation mit Emissionsrechten,
d.h. letztlich mit Energie, dem Lebenssaft der Volkswirtschaften,
noch unmittelbarere und verheerendere Konsequenzen für die
Realökonomie haben dürfte als die Spekulation auf den
Finanzmärkten).
Punkt 3
Die Richtlinie bietet keinen Anreiz zu Emissionsminderungen, die
über die völlig unzureichenden internationalen
Kyoto-Verpflichtungen hinausgehen.
In Punkt 13 heißt es: "Die Gesamtmenge von Berechtigungen gemäß der
Richtlinie soll im wesentlichen der Verantwortung der
Mitgliedstaaten überlassen bleiben." Das verführt die Einzelstaaten
dazu, die Gesamtbudgets der eigenen Industrie zuliebe so hoch wie
nur möglich anzusetzen. Einzige Obergrenze werden die international
(etwa in Kyoto) eingegangenen Verpflichtungen sein, die bekanntlich
völlig unzureichend sind. Jeder Anreiz zu ambitionierteren
Vorgaben entfällt - im Gegenteil: Sie würden eine Bestrafung der
heimischen Wirtschaft bedeuten! (siehe hierzu Behauptung 6 des
nachfolgenden Artikels "Weitere Fehleinschätzungen zum
Emissionshandel") Wie Hermann Scheer festgestellt hat: Der
Emissionshandel scheitert an der Prämisse, Klimaschutz sei
wirtschaftliche Last, die es geschickt zu verteilen gelte.
Punkt 4
Einige Formulierungen in der Richtlinie sind ethisch untragbar.
Im Artikel 10 "Zuteilungsmethode" des Richtlinienbeschlusses steht:
"Für den am 1. Januar 2005 beginnenden Dreijahreszeitraum teilen
die Mitgliedsstaaten die Berechtigungen kostenlos zu." Das halten
wir für ethisch untragbar, nicht zuletzt aufgrund der Symbolkraft
dieses Verhaltens: Die Unternehmen bekommen die Rechte zur
Umweltzerstörung auch noch umsonst! Ebenso zynisch folgende Passage
unter Punkt 13 der Begründung: "Es erhebt sich die Frage, ob andere
Personen, beispielsweise Umweltschutz-
Nichtregierungsorganisationen, in der Lage sein sollten,
Berechtigungen zu erwerben und sie dann aufzuheben, was zu einer
Verknappung der Berechtigungen führt; dieses Recht ist bereits im
Entwurf für das Kyoto-Protokoll vorgesehen." Im Klartext heißt das:
Die Umweltverbände sollen - wenn ihnen der Schutz des Klimas so
wichtig ist - Unsummen auf den Tisch blättern, damit ein paar
Tonnen weniger emittiert werden; es sollen nicht mehr die
Umweltzerstörer für die angerichteten Schäden zahlen, sondern die
Opfer für das Unterlassen der Zerstörung. Vergleichen lässt sich
diese groteske Regelung hinsichtlich ihres ethischen Niveaus
eigentlich nur noch mit den von der Mafia eingeforderten
Schutzgeldzahlungen.
Punkt 5
Der Emissionshandel droht zum Totengräber der ökologischen
Steuerreform zu werden.
Der Emissionshandel ist auch in Umweltkreisen oftmals mit der
Begründung verteidigt worden, er könne eine sinnvolle ERGÄNZUNG zur
ökologischen Steuerreform sein; die Befürchtungen des SFV, es ginge
in Wirklichkeit um deren ERSATZ, wurden immer wieder als
übertrieben abgetan. An recht unscheinbarer Stelle hat nun die
EU-Kommission höchstselbst die Katze aus dem Sack gelassen: Sie hat
einen Änderungsantrag zum Richtlinienentwurf abgelehnt, der
explizit klarstellen sollte, dass der Emissionshandel nicht die
Energiebesteuerung ersetzen darf. Zudem heißt es unter Punkt 7 der
Begründung zum Zusammenwirken des Emissionshandels mit
Energiesteuern: "Der gleichzeitige Einsatz beider Instrumente kann
sich nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken, wenn sie
zur selben Zeit im gleichen Sektor eingesetzt werden. [...] wäre es
jedoch zweckmäßig, bei Tätigkeiten, die unter das System für den
Handel mit Treibhausgasemissionen in der Gemeinschaft fallen, die
Höhe der auf das gleiche Ziel gerichteten Besteuerung zu
berücksichtigen." Dies lässt große Zweifel aufkommen an den
Beschwichtigungen, der Emissionshandel solle die Energiebesteuerung
nur ergänzen, nicht ersetzen, und bestätigt unsere Sorge, dass der
Emissionshandel die Durchsetzung bzw. Fortführung der ökologischen
Steuerreform erschwert oder gar verunmöglicht.
Punkt 6
Die Annahme, in der Richtlinie gehe es lediglich um einen
europaweiten, von den Schlupflöchern des Kyoto-Protokolls nicht
tangierten Emissionshandel, entspricht nicht den Tatsachen.
Einer unserer Hauptkritikpunkte am Emissionshandel ist die
praktische Undurchführbarkeit einer wirksamen und lückenlosen
Emissionskontrolle im weltweiten Rahmen. Hiergegen wurde mitunter
eingewandt, bei der EU-Richtlinie zum Emissionshandel gehe es gar
nicht um einen weltweiten Handel auf der Ebene von Staaten, sondern
lediglich um einen europaweiten Handel zwischen einer
überschaubaren und daher relativ leicht kontrollierbaren Zahl von
Akteuren. Tatsächlich versteht sich die EU-Richtlinie jedoch sehr
wohl explizit als Vorstufe zum globalen Emissionshandel. In der
Begründung zum Richtlinienbeschluss (Punkt 20) findet sich folgende
Formulierung: "Das Handelssystem wurde so konzipiert, dass es mit
dem internationalen Emissionshandel kompatibel ist, der von den in
Anhang B des Kyoto-Protokolls genannten Vertragsparteien aufgebaut
werden soll [...]".
Die Integration eines europaweiten Emissionshandels in den des
Kyoto-Protokolls zieht aber auch die Infektion mit den unter der
euphemistischen Bezeichnung "Clean-Development-Mechanismen"
bekannten Schlupflöchern des Kyoto-Protokolls nach sich, die
Hermann Scheer treffend so charakterisiert hat: "Da soll noch jeder
ganz natürlich wachsende Strauch als CO2-Absorber kalkuliert
werden, um einen Bonus für weitere Emissionen herauszuholen." Auch
für diese "Clean-Development"-Mechanismen bezieht die Richtlinie
klar Stellung; unter Punkt 22 der Begründung heißt es: "Die
Kommission hält die Einbeziehung derartiger Emissionsgutschriften
letztendlich für wünschenswert [...]".
Aus diesen Gründen hat es unserer Ansicht nach keinen Sinn,
zwischen "gutem" (angeblich funktionierendem europaweitem) und
"schlechtem" bzw. problematischem (weltweitem) Emissionshandel zu
unterscheiden.
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Weitere Fehleinschätzungen zum Emissionshandel
Behauptung 1:
Da der Emissionshandel ohnehin nicht mehr aufzuhalten ist, sollten
wir uns um eine gerechte Ausgestaltung und ein Schließen möglichst
vieler Schlupflöcher bemühen.
Natürlich ist es richtig, dass sich der Emissionshandel EU-weit
nicht mehr aufhalten lässt. Darauf sollten wir unsere Energie auch
nicht verschwenden - ebenso wenig wie auf seine Forcierung;
vielmehr sollten wir uns darauf konzentrieren, die wirklich
wirksamen Instrumente politisch voranzubringen, allen voran die
kostendeckende Vergütung für erneuerbare Energien (möglichst
europaweit!) und die ökologische Steuerreform. Unser vehementes
Eintreten gegen den Emissionshandel resultiert letztendlich aus der
Sorge, dass ihm die Durchsetzung dieser zentralen Instrumente zum
Opfer fallen könnte. Darüber hinaus liegt es auf der Hand, warum
der Emissionshandel derzeit leichter politisch durchsetzbar
erscheint als die ökologische Steuerreform: Die Wirtschaft freundet
sich eher damit an, da sie auf seine Ineffektivität hofft. Wir
sollten die Widerstände gegen den ökologischen Umbau überwinden,
indem wir uns darauf konzentrieren, die "ökologische" Steuerreform
in der Öffentlichkeit besser zu vermitteln, insbesondere ihre
ökonomischen und sozialpolitischen Chancen und ihre zentrale
Notwendigkeit für die Überwindung der Arbeitsmarktkrise.
Behauptung 2:
Gerade beim Klimaschutz sind gemeinsam getroffene internationale
Verpflichtungen wichtiger als einzelstaatliche Aktivitäten.
Niemand kann bestreiten, dass Klimaschutz global erfolgen muss.
Das Warten auf einen internationalen Konsens über
Klimaschutzmaßnahmen, die - anders als das Kyoto-Protokoll - diesen
Namen auch verdienen, ist aber illusorisch; die konsensuale
Strategie bedeutet fast zwangsläufig die Beschränkung auf den
kleinsten gemeinsamen Nenner und schafft keine Dynamik zugunsten
weitergehender Maßnahmen - schon gar nicht mit einem Instrument,
dem es zuallererst um LASTENverteilung geht. Dieser tote Punkt, in
den der Konsensualismus die Klimaschutzbemühungen hineinmanövriert
hat, lässt sich wohl nur dadurch überwinden, dass einzelne,
einsichtigere Länder nationale Vorreiterrollen übernehmen und damit
demonstrieren, dass Klimaschutz keine Bürde, sondern eine große
ökonomische Chance ist. Nationale Vorreiterrollen sind beim
Emissionshandel aber systembedingt undenkbar (vgl. auch Behauptung
6).
Damit soll nicht gesagt werden, dass wir auf die internationale
Festschreibung konkreter Reduktionsverpflichtungen verzichten
sollten; aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass diese
fast zwangsläufig hinter dem Notwendigen und Machbaren
zurückbleiben müssen. Leider zeigt die Erfahrung, dass
Verpflichtungen wie die Deutschlands zu 21% CO2-Reduktion bis
2008/12, welche allenfalls als Minimalziele akzeptabel sind, sehr
schnell in der öffentlichen Wahrnehmung zu Maximalzielen mutieren.
Es ist insofern ein großer strategischer Fehler der Umweltbewegung,
dass sie sich für die Kyoto-Ziele hat vereinnahmen lassen (und nun
versucht, "wenigstens" diese gegen die USA und andere Bremser zu
"retten"); so gerät in Vergessenheit, wie unzureichend diese Ziele
sind, und kaum jemand macht sich noch Gedanken, wie mehr als das
Vereinbarte erreicht werden könnte.
Behauptung 3
Nach der ökonomischen Theorie sind Energiebesteuerung und
Emissionshandel in ihrer Lenkungswirkung völlig gleichwertig,
sofern der Energiesteuersatz dem Marktpreis der Zertifikate
entspricht.
Hierbei wird zunächst außer acht gelassen, dass der Emissionshandel
den Energieeinsatz in der Summe nicht verteuert, sondern lediglich
zu einer Umverteilung der Kosten führt, nämlich von denjenigen, die
ihre Reduktionspflichten nicht erfüllen, zu denjenigen, die sie
übererfüllen. Daher erlaubt er - anders als die Energiebesteuerung
- auch keine Entlastung des Faktors Arbeit von Steuern und
Sozialabgaben, lässt somit die bestehende gravierende Schieflage
zwischen Arbeit und Energie unverändert.
Aber selbst wenn man allein die ökologische Lenkungswirkung im
Blick hat, ist es fragwürdig, Emissionshandel und
Energiebesteuerung als gleichwertig anzusehen; zu dieser Folgerung
kann die ökonomische Theorie nur aufgrund wirklichkeitsfremder
Vereinfachungen kommen: Bestünde ein eindeutiger (und zeitlich
konstanter) Zusammenhang zwischen Energieverteuerung und erreichter
Emissionsreduktion und wäre dieser Zusammenhang mit "hinreichender"
Genauigkeit bekannt bzw. messbar, dann wäre es in der Tat
unerheblich, ob man (wie beim Emissionshandel) die erlaubte
Emissionsmenge direkt vorgibt oder aber (wie bei der
Energiebesteuerung) den Preis. Diese Voraussetzung ist jedoch
offensichtlich nicht erfüllt: Da wir über keine vollständige
Information verfügen, ist die Kurve, die den Zusammenhang zwischen
Energiepreis und erreichter Reduktion beschreibt, nur mit
unvermeidbaren Ungenauigkeiten und Unsicherheiten bestimmbar. Aus
diesem Grunde ist es nicht möglich, Menge und Preis gleichzeitig zu
kontrollieren: Bei der Energiebesteuerung wird der Preis
vorgegeben, beim Emissionshandel die Menge; in beiden Fällen
verliert man die Kontrolle über die jeweils andere Größe. Insofern
sind beide Szenarien nicht vergleichbar und haben deshalb auch
keinesfalls die exakt gleiche Wirkung. Hierbei ist die Feststellung
wesentlich, dass der Energieeinsatz nur recht unelastisch auf
steigende Energiepreise reagiert, die Preiselastizität der
Energienachfrage also gering ist. (Darin spiegelt sich die
überragende Rolle des Produktionsfaktors Energie wider, der nicht
ohne weiteres durch andere Faktoren substituiert werden kann. Und
auch der Wechsel von einem fossilen auf ein solares Energiesystem
ist nicht von heute auf morgen möglich.) Dies bedeutet umgekehrt,
dass bei einer Mengenregelung wie dem Emissionshandel die sich am
Zertifikatemarkt bildenden Preise außerordentlich empfindlich von
der vorgegebenen Menge abhängen. Die angesprochenen unvermeidlichen
Unsicherheiten bezüglich des Zusammenhangs zwischen Menge und Preis
führen daher bei einer Mengenregelung dazu, dass der zu einer
vorgegebenen Menge gehörige Preis starken, unvorhersehbaren
Schwankungen unterliegen kann, und bergen insofern die Gefahr einer
Destabilisierung der Energiepreise in sich. Aus diesem Grunde ist
es gerechtfertigt, von einer strukturellen Instabilität des
Emissionshandels zu sprechen. (Näher ist dies im o.g. Artikel "Der
Emissionshandel" im Solarbrief 3/02 ausgeführt.) Durch den
Emissionshandel könnte schlimmstenfalls genau das eintreten, was
wir jetzt mühsam als Horrorvision der "Bremser" zu enttarnen
versuchen: dass Klimaschutz eben doch wirtschaftlich schädlich sein
könnte. Diese Gefahr entfällt bei einer einem langfristigen
Erhöhungspfad folgenden Energiebesteuerung - sie gewährleistet
Planungssicherheit und vermeidet allzu heftige Preisschocks; der
vermeintliche Nachteil fehlender direkter Mengenvorgaben ist in
Wirklichkeit ein Vorteil, weil er die Kontrollierbarkeit der
Energiepreise sicherstellt.
Die Gleichsetzung der beiden Instrumente (oder allgemeiner von
Preis- und Mengenregelungen) zeugt letztlich von einer statischen
Betrachtungsweise, die der realen Systemen typischerweise
innewohnenden Dynamik nicht gerecht wird und nicht erst im Lichte
der Erkenntnisse der modernen Chaostheorie dringend
revisionsbedürftig ist.
Behauptung 4
Die Industrie kann sich vor unkontrollierbaren
Energiepreisschwankungen beim Emissionshandel durch sog. Futures
absichern.
Den Futures liegt folgendes simple Börsenkonzept zugrunde: Um sich
gegen ein mögliches Risiko abzusichern, einigen sich Käufer und
Verkäufer einer Ware zu einem bestimmten Zeitpunkt über ihren Preis
an einem ganz bestimmten Datum in der Zukunft. Das Geschäft soll
damit für Käufer und Verkäufer berechenbar werden. Futures könnten
auch im Emissionshandel eingesetzt werden, um KURZfristige
Energiepreisschwankungen zu glätten. Sie wären jedoch kein
hinreichender Schutz gegen LÄNGERfristige Preisrisiken. Wenn sich
herausstellen sollte, dass die über 5 oder 10 Jahre im Voraus
vorgegebenen Reduktionsziele nur über explodierende Preise
einhaltbar sind, dann könnte auch das beste und ausgeklügeltste
System von Futures diese Preisexplosion nicht aufhalten. Natürlich
wird es in der Praxis nie so weit kommen, weil man nur solch
unambitionierte Reduktionsziele festlegen wird, dass keinerlei
Gefahr einer Preisexplosion besteht. Das ist einer der
systemimmanenten Gründe dafür, weshalb beim Emissionshandel kaum
ernsthafte Reduktionsvorgaben erreichbar sind.
Im übrigen haben gerade die letzten Jahre gezeigt, welch
destabilisierende Wirkung der sich zunehmend von der Realwirtschaft
abkoppelnde Derivathandel mit "Optionen auf Optionen auf
Optionen", wie Helmut Schmidt es spöttisch genannt hat, auf das
Weltfinanzsystem hat. Das ganze System des Emissionshandels könnte
durch Spekulationen bedroht werden - und angesichts der
fundamentalen Bedeutung der Energie wäre dies ein ergiebiges Feld
für skrupellose Spekulanten. Selbst Befürworter des Emissionshandel
räumen schon jetzt die Gefahr ein, dass Emissionsrechte gehortet
und später teuer verkauft werden. Zu denken geben sollte uns auch,
dass der Emissionshandel gerade auch von der Finanzwirtschaft
forciert wird, die darin offenbar einen Ersatz für den
zusammengebrochenen Neuen Markt als Spielwiese für Spekulanten
sieht.
Behauptung 5
Steuerpolitische Maßnahmen wie die ökologische Steuerreform eignen
sich weniger zum Klimaschutz, da sie einem zu starken politischen
Druck unterliegen.
Der politische Druck bei der ökologischen Steuerreform ist nicht
von der Hand zu weisen. Er wäre beim Emissionshandel aber noch
stärker, wenn wirklich "spürbare" Emissionsgrenzen festgesetzt
würden. Bei der Energiebesteuerung sind ja, wie oben ausgeführt,
die finanziellen Belastungen kontrollierbar, beim Emissionshandel
nicht; vorgegeben werden lediglich Reduktionsziele, deren
Einhaltung dann der Markt sicher stellt, notfalls auch um den Preis
ins Unermessliche explodierender Energiekosten. Daher impliziert
der Emissionshandel ein wesentlich größeres Risiko, wirtschaftliche
Verwerfungen auszulösen, welche ihn in der öffentlichen Wahrnehmung
sofort diskreditieren würden.
Zudem ist abermals daran zu erinnern, dass die "ökologische"
Steuerreform auch unabhängig von ökologisch-klimapolitischen
Erwägungen allein schon aus ökonomisch-sozialen Gründen dringend
geboten ist.
Behauptung 6
Der jetzige Ökosteuersatz hat eine geringere Lenkungswirkung als
die festgelegten Reduktionen beim Emissionshandel.
Dies ist zunächst durchaus richtig; in der Anfangsphase muss man
bei beiden Instrumenten ökologisch unbefriedigende Steuersätze bzw.
Reduktionsziele in Kauf nehmen. Die entscheidendere Frage ist
jedoch, mit welchem Instrument längerfristig die ambitionierteren
Ziele zu erreichen sind, welchem Instrument die größere Dynamik
zukommt. Nach Ansicht des SFV ist das eindeutig die ökologische
Steuerreform, da sie nationale Vorreiterrollen ermöglicht; diese
sind beim Emissionshandel schwer denkbar: Jedem Staat muss im
Gegenteil daran gelegen sein, den Referenzwert der zugestandenen
Emissionen möglichst hoch zu halten - und zwar selbst dann, wenn
seine Industrie diesen Wert deutlich unterbieten wird, denn dann
kann sie vom Verkauf nicht benötigter Emissionsrechte profitieren.
Die Möglichkeit, dass die Staaten ihre Emissionsbudgets letztlich
mehr oder minder souverän - nur indirekt durch etwaigen
internationalen Druck beeinflusst - festlegen können, stellt für
sie eine Art "Lizenz zum Gelddrucken" dar. Weshalb sollten sie
darauf verzichten? Auf diese Weise wird durch den Emissionshandel
Klimaschutz allein den Idealisten unter den Staaten aufgebürdet,
und das kann ebenso wenig funktionieren wie etwa die Finanzierung
der Energiewende durch Ökostrom kaufende Idealisten. Damit sind wir
beim zentralen Fehler des Emissionshandels: Die Referenzwerte der
erlaubten Emissionen (die zwangsläufig mehr oder minder willkürlich
gewählt werden müssen) bekommen eine völlig unangemessene
Bedeutung. Es liegt also an der Struktur des Emissionshandels, dass
die an ihm teilnehmenden Staaten kaum zu ernsthaften
Reduktionsverpflichtungen zu bewegen sein werden.
Das dies keine theoretische Befürchtung ist, zeigt sich an der
Politik der Bundesregierung: Sie hat sich verbindlich nur zu 21%
Reduktion bis 2008-2012 verpflichtet, obwohl sie national an 25%
bis 2005 festhält: Erreicht sie dieses ambitioniertere Ziel, so
kann die deutsche Wirtschaft bedeutende Einnahmen durch den Verkauf
der nicht benötigten Zertifikate erzielen!
Solche Effekte sind bei der ökologischen Steuerreform undenkbar,
ganz im Gegenteil: Sobald deren positive Beschäftigungswirkungen
nach einigen Jahren unübersehbar werden, wird die Politik die
Umschichtung der Steuerlast von der Arbeit hin zur Energie
energisch vorantreiben und muss sich nicht mehr wie heute noch
regelrecht "zum Jagen tragen" lassen.
Behauptung 7
Der Verwaltungsaufwand des Emissionshandels ist geringer als bei
ordnungsrechtlichen Maßnahmen wie etwa der Festlegung absoluter
Emissionsobergrenzen.
Die Festlegung solcher Obergrenzen erscheint uns unrealistisch und
ist von uns nie gefordert worden. Verglichen mit der
Energiebesteuerung ist der Verwaltungs- und insbesondere der
Bilanzierungsaufwand beim Emissionshandel gigantisch. Die von uns
vertretene Alternative heißt deshalb: ökologische Steuerreform und
als flankierendes ordnungsrechtliches Element ein gesetzliches
Verbot des Neubaus fossiler Kraftwerke.
ENDE
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