Date: August 05, 2004 at 23:51:21
From: 2L-Heiko, [dsbg-d9bbdf23.pool.mediaways.net]
Subject: CR-Projekt
Hallo Hans,
auch wenn Du mir freundlicherweise eine Auszeit gönnst (die ich in den vergangenen Tagen auch gut gebrauchen konnte), möchte ich die Diskussion noch vor dem kommenden Wochenende weiterführen. Beim erneuten Lesen der letzten Beiträge kam mir für die Fortführung der Diskussion eine weitere Idee, die ich zunächst in die weitere Zukunft geschoben hatte. Sollte Dir diese Form nicht zusagen, kannst Du mich gerne an die ´kurze Leine´ nehmen und zurückpfeifen ;-)
Du fragst zu Recht, was ich darunter verstehe, wenn Autos irgendwie mit PÖL funktionieren.
- Da ist zum einen die Langzeitstabilität. Niemand wird leugnen, dass die mechanische Belastung bei PÖL höher ist als bei Dieselverwendung. Ich fände eine um 10% reduzierte Laufleistung akzeptabel. Nun finden in PÖLerkreisen keine Flottenversuche statt. Ein gewisses Restrisiko insbesondere bei modernen Einspritzsystemen wird also bleiben. Mir geht es in dieser Diskussion auch darum dieses erhebliche Risiko für CR-Systeme einzugrenzen.
- Zum anderen sollte die Lebensqualität anderer Verkehrsteilnehmer durch PÖLerabgase nicht eingeschränkt werden. "Was interessiert mich die Gesichtsfarbe der hinter mir Herfahrenden" ist nicht meine Devise. Räuchern im Leerlauf und Geruchsbelästigung müssen ausgeschlossen werden. Auf die von Dir angesprochene Thematik "Abgas" werde ich in einem weiteren Posting eingehen.
- Das Fahrzeug muss auch mit PÖL absolut betriebssicher sein. Einen sich über mehrere tausend Kilometer zusetzenden Filter halte ich für vertretbar. Ausgeschlossen werden muss (insbesondere im Hinblick auf CR-Technik) ein plötzlicher Notbetrieb, wie er bereits hier im Forum durch einen CDI-Fahrer berichtet wurde. Das ist sicherheitsrelevant und bei "professionell umgerüsteten" Fahrzeugen nicht akzeptabel. Auch ein Hobby-Bastler, der stets mit einer solchen Situation rechnet, wird Probleme mit seiner Versicherung bekommen, wenn er dadurch einen Unfall verursacht.
Ich kann verstehen, dass es für Dich nicht gerade schön ist, wenn Deine Beiträge in irgendeinem Auktionshaus gewinnbringend verkauft werden. Trotzdem gibst Du Dein Wissen hier bereitwillig und in einem öffentlichen Forum preis. Hoffentlich haben Kunden von hier mitlesenden "Profiumrüstern" einen reellen Vorteil im Hinblick auf Betriebssicherheit ihrer Fahrzeuge ;-)
Nach dem Lesen Deiner sehr präzisen CR-Beschreibung habe ich mich in zwei Aspekten mit dem ´falschen´ Kraftstoff PÖL beschäftigt:
a) Schmierfähigkeit
dafür gibt es den sog. HFRR-Test. Werte von PÖL habe ich nicht gefunden, aber evtl. lassen sich entsprechende Werte für PÖL herleiten. Die Schmierfähigkeit von Diesel wurde mit zunehmender Entschwefelung schlechter und muss mittlerweile durch zusätzliche Additivierung sichergestellt werden. Bereits geringste Zumischung von RME zu schwefelarmen Diesel führt zu HFFR-Werten weit unterhalb des Grenzwerts von 460µm (MK1 + 8 VOL% RME -> 169µm). Nun besteht die Molekülstruktur von RME im wesentlichen (die Chemiker mögen mir verzeihen) aus dem dreigliedrigen Fettsäure-Molekül aller Tier- und Pflanzenfette, das dem verbindenden Glycerin-Molekül beraubt wurde (daher die niedrigere Viskosität von RME gegenüber PÖL). RME hat wesentlich bessere Schmiereigenschaften als Diesel. Auf Grund der ähnlichen Molekülstruktur nehme ich auch bei PÖL wesentlich bessere Schmiereigenschaften an. Auch bei optimalen Schmiereigenschaften bleibt in engen Schmierspalten das Problem, dass PÖL wegen der höheren Viskosität zu spät einen entsprechenden Schmierfilm aufbaut, was dann zum Fresser führen würde. Eine adäquate Erwärmung des PÖLs vor der HDP ist m.E. Grundvoraussetzung.
Sämtliche Überlegungen beziehen sich zunächst auf PÖL nach Weihenstephaner Standard, in dem sowohl Säurezahl als auch Wasser limitiert sind.
b) Druckerhöhung durch PÖL / Verhalten an Drosseln
Eine Gruppe von PÖLern hat das auf einem Treffen (in Sinn?) getestet und Jo hat es dokumentiert. Es handelt sich um Messungen des Innendrucks einer VESP mit Diesel kalt/Diesel warm/PÖL kalt/PÖL warm. Erstaunlicherweise konnte auch bei PÖL kalt kein erhöhter Druck festgestellt werden. Die höhere mechanische Arbeit der Pumpe wird wohl in Temperaturerhöhung des Mediums umgesetzt und nicht in höheren Druck. Da die Messung an einer Hohlschraube durchgeführt wurde, lässt sie wohl auch Rückschlüsse auf das Verhalten an Drosseln zu (Stichwort: turbulente Strömung – was Dir mit Sicherheit mehr sagt als mir). Inwiefern dieser Versuch auf die Verhältnisse in CR-Dieseln übertragbar ist, wage ich nicht zu beurteilen. Aber man kann das ja auch dort testen (siehe weiter unten).
Dem gegenüber steht eine Information über Versuche in der Bosch-Entwicklung mit PÖL als Kraftstoff in PD-Elementen (leider habe ich die Quelle nicht mehr). Hier sollen um 300bar erhöhte Spitzendrücke aufgetreten sein (also 15% mehr als vorgesehen). Ich hoffe ich sorge hier nicht für die Verbreitung von www-Märchen. PÖLer sind für mich auf jeden Fall vertrauenswürdiger als irgendwelche Internet-Info´s, deren Quellen ich nicht mehr nachvollziehen kann.
Wie Du siehst, habe ich meinen Optimismus noch nicht verloren :-) Damit noch eine Spur Realismus dazu kommt, habe ich folgendes beschlossen:
Nächste Woche gewinne ich einen Audi A6 3.0 TDI mit Siemens PCR3 ;-), der dann wie folgt auf PÖL umgerüstet wird:
- Zweitankumbau (zunächst ohne PÖL)
- ausreichend dimensionierte und pöltaugliche VFP nach Herstellerangaben
- doppelter PÖLfilter mit automatischer Umschaltung bei –0,6bar, damit "Filterdicht" kein Thema mehr ist
- KW-WT vor der HDP (zulaufseitig)
- KW-WT vor der HDP (rücklaufseitig)
Da damit noch kein sicherer PÖLbetrieb möglich ist, werde ich zunächst Tests mit Diesel durchführen und in sämtlichen Betriebszuständen Werte über Durchflussmenge/Druck an verschiedenen Punkten sammeln (das dürfte wohl nur im Niederdruckbereich möglich sein, also vor der HDP und nach den Injektoren, evtl. auch der Rücklauf aus dem Rail?).
Um bei diesen Messungen die Systemregelung nicht zu stören (auch wenn CR sehr modular aufgebaut ist, kann man ja nicht einfach irgendwo einen Schlauch abmachen und Mengen oder Druck wie bei einer mechanischen ESP messen), muss die Sensorik integriert werden. Entsprechende Messgeräte gibt es, kosten aber wahrscheinlich mindestens so viel, wie eine "Profi-Umrüstung" :-(
Der geneigte Leser mag an dieser Stelle vielleicht einhaken wollen und die bordeigene Elektronik für die Messungen anzapfen. Das hat m.E. 2 Haken: 1.) ist das gar nicht mein Steckenpferd ;-) und 2.) wird die Durchflussmenge dort wohl immer über den Faktor Zeit ermittelt – ergibt also nur mit dem Referenzkraftstoff realistische Werte. Irgendwann soll der Audi ja mal pölen...
Anschließend wird der Audi mit größer werdenden PÖLanteilen betankt und die Messwerte mit dem reinen Dieselbetrieb verglichen. U.U. gibt es vom Hersteller entsprechende Daten, bei welchen Werten der Betrieb grenzwertig wird. Ansonsten besteht in dieser Testphase irgendwann die Gefahr des Notbetriebs. Aber da bin ich wieder ganz Optimist :-)))
Wenn der Audi dann erfolgreich 1 Jahr pölt, kriegt er zum Geburtstag eine Altpölzentrifuge (für höchste Reinheit) und ich werde den Oliver mal intensiv löchern, wie ich selbstständig die Säurezahl meines Altpöls ermitteln kann...schließlich soll er nicht an Verschmutzung, Säure oder Wasser sterben...
Hans, ich hoffe, Du hast Dich noch nicht angewidert abgewendet – ja, PÖLer sind grausam, ich auch! So oder ähnlich würde ich vorgehen, halte es für aufwändig und teuer, aber das wird vielleicht einer der wenigen Wege sein, dieser Technik beizukommen? Reinschütten und losfahren halte ich jedenfalls für nicht zielführend.
Viele Grüße
Heiko
p.s.: alternativ könnte ich den Audi natürlich auch verkaufen...mit dem Erlös Werner´s Motorenprojekt unterstützen und hoffentlich in wenigen Jahren den Motor in eine GFK-Zigarre bauen, um mit weniger als 2L/100 km und einer vernünftigen Vmax von ~ 120 km/h durch die Gegend zu cruisen...klingt für mich noch reizvoller als 6L/100 km, 230 km/h, 1,8 Tonnen Leergewicht...zudem reparaturfreundlich und pöltauglich...hoffentlich klappt das dann mit den Abgasnormen...
Follow Ups: