Date: November 22, 2005 at 11:43:02
From: Werner, [pd9fd1a9a.dip.t-dialin.net]
Subject: Woooow, Jo ein Philosoph! Nitzsche wäre begeistert gewesen
Hi Jo,
meine Frau hatte früher einen Spruch an der Wand: "Die Welt ist ein Atom in der Zehe einer Filzlaus." Der kam auch gut, fand ich.
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Bananen züchten mit der Abwärme von Kraftwerken ist ein steinalter Hut. Vielleicht liegt es an der doch nicht so ganz großen Nachfrage, daß es noch keiner gemacht hat.
Die uns umgebende Natur befindet sich in einem Gleichgewicht, welches durch vielfache Einflüsse gestört wird und sich durch ebenso vielfache Mechanismen wieder herstellt oder eben auf einem anderen Niveau stabilisiert. Ich denke, es ist schon ein wenig dem Menschen zu eigen, zu glauben, daß er da wirklich was dran macht. Zum Größenwahn neigen wir - glaube ich - alle etwas.
Bisher ist das CO2 noch nicht als direkter Schädling aufgetreten. Im Gegenteil, Planzen wachsen besser und schneller (übrigens auch, wenn sie Stickoxide abkriegen). Das soll nicht heißen, daß ich für ein hemmungsloses Verfeuern von Brennstoffen (egal welcher Herkunft) wäre. Aber was politisch und industriepolitisch zum Teil abgeht, stellt sich mir eher als "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme" und Machterweiterungswunsch dar, als als ein verantwortungsvoller Umgang mit Umweltressourcen. Unter dem wissenschaftlichen Deckmäntelchen werden Kämpfe ausgetragen, die der Bürger, der das letzlich alles bezahlen soll, nicht mitbekommt und auch in der Regel gar nicht verifizieren kann. Man stützt sich heute schon lange nicht mehr auf Naturwissenschaften und für jedermann nachvollziehbare Zusammenhänge, sondern führt lieber hochgestellte Leute an, die etwas herausbekommen haben oder etwas wissen.
So war das im Mittelalter auch schon. Es ging nicht darum, ob etwas so auch sein KONNTE, sondern darum, WER etwas gesagt hatte. In der gleichen Art wurde auch mit dem Gewissen des Bürgers umgegangen. Ein Bürger ohne Schuldgefühle war ein schlecht lenkbarer Bürger. Heute heißt das Zauberwort Betroffenheit und wird von Alpha-Männchen, die zum Teil bereits in fünfter Ehe stehen, und durch das Nichthaben von Kindern ihre Verantwortung gegenüber unserer leidenden Umwelt dokumentieren, virtuos gehandhabt. Das Wort "Gott" ist durch das Wort "Umwelt" ersetzt worden und die heutigen Ablaßscheine heißen CO2-Steuer etc. etc., der Mechanismus aber ist genau der gleiche und funktioniert derart gut und zufriedenstellend, daß er die Alpha-Männchen unter uns einfach lockt.
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Wir lächeln heute darüber, daß dem Bürger damals verkauft wurde, die Erde sei eine Scheibe. Dem Bürger war es im Grunde völlig wurscht, weil er mit seinen Durchschnittsmöglichkeiten genau so wenig bis zum Rand dieser Scheibe gelangen konnte, wie wir heute mit unseren Durchschnittsmöglichkeiten beurteilen können, ob das Einsetzen eines Kats oder das Anlassen eines Pölmobils nun ökologisch sinnvoll ist oder nicht. Ich gäbe was drum, wenn ich dabei sein könnte, wie man in 200 Jahren über uns lächelt.
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Mit den Güterzügen im Kraftwerk hast Du Recht. Ich habe schon dabei gestanden, wenn sie einfahren, die Güterzüge. So ein 400 MW Block haut schon mal gerne in der Stunde 60, 70 Tonnen Kohle durch seine Mühlen. Da reicht pro Tag ein Güterzug nicht.
Wenn ich mal mit dem Taschenrechner die Gesamtmasse der Atmosphäre ermittele, komme ich auf 5 Billiarden Tonnen Luft (Einspruch oder Kommentar ausdrücklich erwünscht!). Da kann meines Erachtens gar nicht so viel Puffer drin sein, als das nicht ein Zuviel-Ausstoß längst in einer Katastophe geendet hätte. Aber die Forscher suchen ja noch nach der Senke, wie man hört. Die Ergebnisse dieser Suche aber bitte erst nach der Einführung der CO2-Steuer!
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Was ich in dem ganzen Zusammenhang ziemlich unbegreiflich finde, ist, daß die Konzepte, zuhause arbeiten zu können, in keiner Weise mal richtig angegangen werden. Der Shell-Konzern als Mineralölverarbeiter und -Verkäufer hat z.B. für seine Mitarbeiter enorme Freiräume geschaffen, weil es sich für ihn rechnet. Bekannte von mir arbeiten - wie ich - als Shellisten von zuhause aus und müssen nur hin und ab mal zu Gesprächen erscheinen. Meine Jahrefahrleistungen sind ebenfalls lächerlich gering und wenn ich nicht ab und zu die Kinder in die Schule fahren würde, müßte ich mir Sorgen machen, ob die Batterie in meiem alten Polo nicht leer ist, wenn ich mal fahren will.
Werktätige, die auf Baustellen schaffen müssen (wie ich auch zwischendurch immer wieder), müssen logischerweise fahren, aber das sind nicht die, die die Autobahnen zustauen. Das größte Fahraufkommen entsteht durch die vielen Büroleute, die jeden Tag hin und her fahren und die aufgrund guter Einkünfte sich das Haus im Grünen leisten können. Dennoch, der Chef will die Leute alle sehen, jeden Tag! Warum nur? Diese Fragen stellt niemand.
Ungehemmt und von niemanden gehindert fliegen wir für 40EUR nach Rom oder sonstwo hin. Oköbilanz? Wozu? Iss doch geschäftsschädigend. Würden Airliners CO2-Steuer bezahlen müssen, könnten wir auf den Flughäfen Fußball spielen oder Pöl-Rennen veranstalten.
Also langer Rede kurzer Sinn: aus meiner Sicht paßt da so vieles nicht, daß man schreien müßte.
Gruß
Werner
(ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit)
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