Date: January 15, 2008 at 01:20:45
From: R.Lang, [dslb-084-059-059-136.pools.arcor-ip.net]
Subject: Re: Gleitlager in der Praxis
Hallo Hajo,
bei 1000 Bar Schmieröldruck brauchst Du keine Einspritzpumpen mehr,da hat die Maschine Last den entstehenden Öldampf aus dem Kurbelgehäuse abzusaugen und zu verdauen. So ne Schiffmaschine mit 6 Zylinder hat immerhin 8 Gleitlager für einen Kurbelwellendurchmesser von ca. 270mm.
So hoher Öldruck wäre eine riesige Energieverschwendung.
Bei unseren Schiffsmaschinen hatten wir einen Betriebsdruck bei 270 - 350 U/Min von etwa 4 - 6 bar zur Versorgung der Gleitlager. Da das Schmieröl auch ein Teil der Betriebsärme abführte, wurde es mit einem Seewassergespeisten Wärmetauscher gekühlt. Damit das Öl dabei nicht zu kalt wurde, war an dem Wärmetauscher ein einstellbares Thermostat.
Je nach dem wie alt das Öl war konnte man den Druck über die Temperatur noch beeinflussen. Normale Öltemperatur in der Maschine war etwa 40 Grad. Zum separieren wurde das Öl mittels elektrischen Durchlauferhitzer auf etwa 80 Grad geregelt aufgeheizt. Der Separator der permanent im Nebenstrom betrieben wurde, gab das gereinigte Öl in die Schmieröltanks ab. So waren die Schmieröltanks ca. 1600l auch immer vorgewärmt. Die Maschine hat ne Trockensumpfschmierung, also eine angehängte Doppelzahnradpumpe die mit Kurbelwellendrehzahl gedreht wurde. Die Fliessrichtung des Öls wurde durch federbelastete Rückschlagventile sicher gestellt. Trotzdem waren unten in der Ölwanne immer noch etwa 200 l Schmieröl vorhanden.
Beim Manöverbetrieb also Drehzahlen von < 200 U/min wurde die angehängte Ölpumpe durch eine elektrische Pumpe unterstützt. Die wurde vom Steuermann manuel zugeschaltet und hielt den Druck in den Lager auch bei Stillstand aufrecht. Die Maschine muss zum Drehrichtungswechsel kurz gestoppt werden.
Bei Erststart wurde mit der elektrischen Pumpe das Schmierölsystem zunächst auf Betriebsdruck gebracht. Dann wurde die normalerweise permanent vorgewärmte Maschine mit Druckluft angeblasen.
Um die etwa 3,5 to schwere Kurbelwelle bei Reparaturarbeiten törnen zu können reichte es die Gleitlager aus umgestülpten Colaflaschen mit Schmieröl zu beaufschlagen.
Ich habe mal an so einer Kurbelwelle das Drucklager im Block geschliffen, dazu musste die Kurbelwelle drehend an der Schleifvorichtung vorbeibewegt werden. Ich habe die Kurbelwelle mittels Flachriemen auf der Schwungmasse über ein Getriebe einer Ankerwinde mit einem Druckluftschlagschrauber angetrieben dem ich vorher das Schlagwerk kastriert hatte.
Um die Welle zu starten musste die Haftreibung der Lagerung überwunden werden. Das geschah indem man mit der Törnstange an der Schwungmasse (auch etwa 3 to) die Kurbelwelle so etwa 2- 4 Grad weitertörnte, dann übernahm der Luftmotor den weiteren Antrieb. Wenn die Kurbelwelle drehte konnte ich sie mit einstellbaren Spitzpinolen axial so verschieben das der Schleiftopf in Eingriff kam. Die Notschmierung der Gleitlager musste so alle halbe Std wieder nachgefüllt werden. Der Schleifjob dauerte etwa 3 Tage dann war die Drucklagerfläche wieder wie neu.
Anschliessend haben wir den Schleifstaub,Metallspäne und das Schmieröl mit ca. 200l Diesel in die Motorwanne gespült und diese anschliessend
gründlich gereinigt.
Ach ja die gesamte Kurbelwelle hat vor dem Schleifjob neue Gleitlager bekommen, denn durch das schadhafte Drucklager waren alle Gleitlager mit Lagermetallspänen über das Schmierölsystem "versorgt" worden.
Das waren übrigen noch nach guter alter Maschinenbautradition gegossene Weissmetall-Gleitlager.
Gruss Rainer
Follow Ups: