Date: September 04, 2008 at 23:11:20
From: Werner, [p50883f79.dip.t-dialin.net]
Subject: Was dazu . . . .
Moin Chefchef,
iss leider nicht so, wie man hofft. Die Piloten sind keine Luftfahrtingenieure, sondern Busfahrer der Lüfte. Ein Reisebusfahrer kriegt nen verstopften Dieselfilter mitten in der Nacht in an der Grenze von Frankreich nach Spanien selber wieder hin und kann wieder fahren. Ein Pilot ist im Grunde vollkommen aufgeschmissen, wenn die Technik es nicht tut.
Diese Leute bekommen schon was von Technik erzählt, aber alles nur so mundgerecht, anwendungsgerecht, nachvollziehbar. Strömungsabriß, Trudeln, Landen ohne Klappen, Triebwerksausfall, das wird alles mal erklärt und die Typen müssen es in der Prüfung wieder ausspucken. Es kann nicht überprüft werden, ob sie wirklich dahinter schauen.
Dann gehts in den Simulator und dort werden auf Gedeih und Verderb die ganzen Notverfahren geübt. Apropos die ganzen, natürlich "nur" die 14381 Fälle, die in der Schulung vorgesehen sind. Wenn etwas außerplanmäßiges passiert, sind die Piloten aufgeschmissener, als jeder Selbstbau-UL-Pilot, der den streikenden Vergaser selbst aus einer Honda geborgen hat und an den Motor angepaßt.
Ein Bordingenieur der alten Schule hätte mit Sicherheit eingegriffen in das Geschehen bei der Birgen Air. Aber es war keiner da. Was ganz dringend erforderlich gewesen wäre, wäre eine Plausibilitätsprüfung der Instrumentanzeigen. Ein Ing. hätte das sehr rasch gehabt und dem Kapitän gesagt "vergiß die Fahrtanzeige und mach den Autopiloten aus!"
Die Leute haben ja gesehen, daß was spinnt, aber sie haben auf ihre Glaskästen geschaut und überlegt, wie sie es zusammen bringen. Wäre z.B. der künstliche Horizont als eigenständiges Instrument im Panel eingebaut gewesen, dann hätte sich der Pilot mit einiger Sicherheit auch danach gerichtet. So war aber das Inklinometer im Bauch des Flugzeuges und eine Buskabel-Verbindung hat die Werte auf den Schirm gebracht. Und es ist nunmal menschlich, daß Du den Inhalt einer gesamten Seite anzweifelst, wenn in einer Zeile Kacke steht. Du unterscheidest dann nicht mehr und die Kenntnisse der Gerätetechnik gehen bei den Piloten nicht so weit, daß sie blitzschnell und mit der erforderlichen Sicherheit entscheiden: "Der Lageanzeige ist gewiß nicht defekt, er kommt ja gar nicht mit der Außenluft in Berührung. Also muß die Fahrt- und Druckanzeige falsch sein. Da ist bestimmt das Pitotrohr zugefroren, dann gehen wir jetzt mal nur noch nach der Fluglage und die Fahrt (Geschwindigkeit) stellt sich dann zwangsläufig von selbst ein."
Wir machen in den Gasanlagen ständig Plausibilitätsprüfungen und schulen auch die Mitarbeiter darin. Letzlich ist der Streß aber klein, weil im Zweifel das Dingen eben abschaltet und das Sicherheitsventil geräuschvoll anzeigt, daß wieder mal was daneben gegangen ist. Der Anlagenfahrer kriegt eins drüber, erfindet eine tolldreiste Geschichte, wie das passiert ist, der Chef telefoniert mit der Behörde, daß zu keiner Zeit eine Gefahr für die Umwelt bla bla bla und dann geht das weiter.
Bildschirme sind gut, um Informationen zusammenzufassen. Sie liefern aber kein Indiz dafür, wie plausibel oder zuverlässig eine Messung ist. Dafür muß das Meßprinzip vollständig verstanden sein und die Schwächen im Erfahrungsbereich liegen. Ein Studium der Verfahrenstechnik liefert dafür erste Grundlagen. Eine Pilotenausbildung kann sowas unmöglich leisten. Die Konstrukteure blicken ja heute selber nicht mehr richtig durch, planen nur noch Details und können nicht ganzheitlich die Sachen betrachten.
Bei der Lauda-Air hatte der Co-Pilot 15 Minuten lang den Kapitän genervt, daß die Anzeige der Schubumkehr immer wieder aufleuchtet. Dieser hat ihn irgendwann angebellt, er solle endlich die Kursberechnung machen und sich nicht mit so einer Scheiße aufhalten. Daß die Endlagenschalter dieser Luftleitbleche häufiger mal ansprechen, weil sie enorme Vibrationen mitbekommen und der ganze Kram eben wackelt und klappert, steht in keinem Untersuchungsbericht. Jeder Pilot weiß das, keiner fühlt sich dabei wohl, und angeblich fliegt das Flugzeug damit ja auch irgendwie noch. Bei der Lauda B757 hat es wohl nicht gepaßt und das Dingen hat sich gleich auf den Kopf gedreht und ist erdwärts gestrebt. Eine rausgefallene Schubumkehr fährst Du in der Luft nicht wieder ein. Das schafft die Hydraulik nicht. Das geht erst, wenn die Karre wieder steht oder fast steht.
Also was? Lauda ist unten, vergessen, verwest. Jetzt die Spanair. War es die Schubumkehr? Vielleicht. Werden wir es je erfahren. Vielleicht. Interessiert sich die Presse in vier Wochen noch dafür? Vielleicht, wenn sonst nix kommt und die Angela Dr. Merkel nicht vielleicht gerade schwanger ist oder so.
Dann gab es mal eine Concorde. An der ging die Schubumkehr nicht. Der Kapitän, supererfahren mit 1000en Stunden hat bei der Landung geflucht und die Kiste mühsam mit den Radbremsen zum Stehen gebracht. Er hat sich beschwert, er würde nicht weiterfliegen, wenn die Triebwerksbremse nicht gemacht würde. Sie haben ihn ruhig gestellt - frag mich nicht, wie.
Und nach dem Absturz zwei Stunden später hat alles gesagt, NEEIINNN! Das lag nicht an der kaputten Schubumkehr, da ist ein Reifen geplatzt, ja ja! Wir wissen noch nicht so ganz genau warum, aber da muß wohl was gelegen haben auf der Bahn.
Daß eben genau dieser Reifen kurz vorher noch die Tortur einer nicht bestimmungsgemäßen Vollbremsung hat über sich ergehen lassen müssen, steht natürlich mal wieder nirgendwo. Ist ja auch nicht beweisbar!
Aber das Bauchgefühl des Piloten sollte schon genügen, um nicht zu fliegen.
Die Seitenwind-Landung der Lufthansa, die blöderweise auf das Video gekommen ist
http://www.youtube.com/watch?v=z42fchrzhHY
wurde auch nie richtig erläutert. Von heldenhaften Piloten war die Rede, dabei gab es schon einige Meter vor dem Aufsetzen einen echten Schnitzer. Ich habe mich in einem anderen Forum damit unbeliebt gemacht, diesen Fehler zu erklären. Ich solle doch bitte nicht so tun, als könnte oder wüßte ich es besser, wurde ich gemaßregelt.
Na bitte! Es will keiner wissen. Zu unbequem der Gedanke, daß es evtl. doch nicht mehr so weit her ist mit der Sicherheit, wie früher.
- - - --
Vor Jahren sind Bekannte (Kollege mit Frau) von mir nach Rhodos geflogen. Germania hieß die Fluggesellschaft. Sie hatte schreckliche Angst vorm Fliegen und er fühlte sich auch nicht gerade wohl. Meine damalige Frau versuchte, beider zu beruhigen, hat dann so etwa sinngemäß gesagt: "Klar, die Piloten können auch nicht zaubern, aber es sind doch Menschen, die auch leben wollen. Das ist doch was!" Sehr beruhigend war das ganze nicht.
Es kam der Tag der Abreise und man checkte ein. Unterweg teilte der Pilot mit, es sei auf Rhodos ein schrecklicher Wind und die Landung sei unmöglich, der Flughafen sei geschlossen. Er müsse aber weiterfliegen und mindestens einen Anflug versuchen. Das schriebe ihm seine Fluggesellschaft so vor. Er führt weiter aus, daß sie also einmal die Bahn entlang fliegen würden und dann zurück und in Wien landen. Das sei alles schon arrangiert.
Gesagt getan, die Passagiere schauten mit mulmigen Gefühlen aus den kleinen Fenstern, als die 737 einmal die Landebahn entlang flog. Der Wind kam von rechts und war so stark, daß die links sitzenden Fluggäste in Flugrichtung nach vorn schauen konnten. So auch unsere beiden Freunde.
Dann sahen sie eine andere Maschine auf dem Bauch in den Büschen liegen. Der Kapitän sagte, das sei die letzte Landung des Tages gewesen, es sei aber niemandem ernsthaft etwas passiert. Toll, gell?
Also zurück nach Wien und dort bis 23.00 abends gewartet. Die Gattin wollte schon nicht mehr und sagte zu ihrem Richard:" laß uns mit der Bahn weiter und dann mit dem Schiff nach Rhodos!" Worauf dann ein andere Passagier entgegnete : "Sind sie wahnsinnig? Wissen Sie überhaupt, wie unsicher griechische Fähren sind? Das ist doch lebensgefährlich!"
Also sind sie wieder rein in den Flieger. Der Sturm hatte sich gelegt und bei der Landung war auch das Flugzeug weg, was abseits gelegen hatte. Sie sind nie wieder geflogen, weder in Urlaub, noch dienstlich.
Du siehst also, unter welchem Druck die Piloten stehen. Einmal Durchstarten ist schon das Todesurteil für den Profit eines Fluges. Die Jungens bekommen die Abrechnung präsentiert und werden danach bewertet. Die Ausbildung ist um so viele Punkte erweitert worden. Die ganze Elektronik, die neuen Vorschriften, der viel stärkere Verkehr, dazu der Zeitstreß und der Zwang, immer total sparsam zu fliegen. Last but noch least gibt es den Bord-Ing. nicht mehr. Das müssen die Piloten miterledigen. Sie werden ja von der modernsten Technik dabei unterstützt, die Technik zu kontrollieren.
Die Gesellschaften warten darauf, daß es endlich die Single-Pilot Solution gibt. Ein Mann im Cockpit reicht doch wohl, den Rest macht doch die Maschine selbst. Die Geschäftszweistrahler werden doch auch bereits von einer Figur alleine geflogen, wo issn da der Unterschied?
So geht das immer weiter. Und immer wieder fällt einer runter. Weil er eben schärfer rangegangen ist an die Grenze des Todes. Weil er eben besser sein wollte oder mußte, als die Konkurrenz. Das ist wie beim Rennauto fahren: es gibt keine sicheren Rennen. Denn solange einer auf Kosten der Sicherheit schneller sein kann und siegen, wird er es auch versuchen.
Schuld daran sind wir übrigens selbst. Wir wollen für 230 EUR bis nach Afrika fliegen und greifen zu den allerallerletzten lastminutes. Das geht einfach nicht! Das will aber keiner wissen.
Warts ab, bald haben alle Airlines so einen Aufkleber "Geprüfte Sicherheit" oder irgendson Scheiß. Da wird dann Papier gemacht, damit der Kunde doch wieder zugreift und glaubt, nun sei alles gut.
So, genug dazu!
Geh lieber tauchen, das ist gesünder.
Gruß
Werner
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