Date: July 19, 2010 at 14:45:09
From: Werner, [p5b37de8a.dip.t-dialin.net]
Subject: Denk mal schneller !!
Moin Cheffe,
am Anfang war der Widerstand. Das Dreirad steht mit Rückenwind und der Fahrer nimmt Platz.
Der Propeller ist so groß und breitblättrig, daß er schon genügend Widerstand bietet zum Anfahren. Es geht also los !
Haaaaalt ! Da hat einer n Verständnisproblem. Er sagt, wenn der Propeller bereits - in Windrichtung geschaut - rückwärts angestellt ist, dann versucht doch der Wind, den Propeller rückwärts zu drehen :-O, und wenn das so ist, dann werden doch die Räder rückwärts gedreht ergo müßte doch die Fuhre gegen den Wind rückwärts abfahren.
Also - Sendung mit der Maus - hammwer uns gefragt, ob der Propeller sich wirklich rückwärts dreht, wenn man das Auto hochhebt. . . . .
Das ist Werner. Werner ist stark und hilft uns jetzt, das Auto hochzuheben. :-)
Möööönsch, der Prop dreht sich rückwärts und die Räder drehn sich auch rückwärts - aber wieso fährt das Auto trotzdem vorwärts ??????
Werner iss so langsam erschöpft (wird ja auch nicht jünger) und setzt das Auto wieder ab. Die Räder quietschen, der Prop bleibt stehn.
Nun stelln wir mal son bißchen rum an der Propverstellung. Für Rhanie von Frankenphilippinen drehen wir die Steigung so, daß der Propeller gerade keine Drehung erzeugt, sondern nur die Blätter quer angeblasen werden. Der Fachmann nennt das Steigung Null.
Werner, bitte noch mal anheben! Tatsächlich, der Propeller dreht sich nicht mehr.
Wir lassen das Auto jetzt fahren und der Propeller dreht sich. Das sieht lustig aus, bringt aber sonst nichts. Im mittleren Geschwindigkeits-Bereich wird die Aerodynamik der Blätter besser, was den Wiederstand erhöht und den "Schlupf" verkleinert. Aber letzlich ist kurz vor Erreichen der Windgeschwindigkeit Schluß mit der Beschleunigung. Die Räder werden kaum gebremst, weil sie den Propeller ja nur in die Runde drehen müssen.
Nun aber - listig und fein - dreht der Fahrer die Propellerverstellung auf positiv, so daß der Wind von hinten wieder versucht, den Propeller rückwärts zu drehen. Schafft er aber nicht, weil die Räder den Propeller ja vorwärts drehen wollen.
Wer gewinnt ??
Bei kleiner Einstellung gewinnen die Räder. Denn der Widerstand am Propeller ist so groß, daß der Wind das Auto trotzdem vorwärts schiebt. Man kann also in dieser Stellung sogar anfahren, allerdings nicht so schnell, als wenn man den Propeller gerade oder besser noch in negative Stellung bringt. (Dann nämlich hilft der Prop sogar noch, die Räder VORWÄRTS zu drehen.)
Also, kleine Einstellung, das Getriebe singt unter der Last, die Räder wollen das Fahrzeug abbremsen, aber der Wind trifft bei dem Propeller auf unbarmherzigen Widerstand. Nicht nur Widerstand, der Lümmel wehrt sich, rückt sogar gegen den Wind, als wolle er ihn verscheuchen. Das ruft den Zorn des Windes auf den Plan. Die Kräfte steigen an und das Fahrzeug wird tatsächlich schneller - fährt jetzt genauso schnell, wie der Wind. Der Drehwiderstand des Propellers ist zur Zeit noch minimal gegenüber dem Zuwachs an Vortrieb, sodaß das ganze noch weiter ausgereizt werden kann. So wird das Auto mit wachsender Propellersteigung immer schneller. Der Wind ist nach wie vor treibende Kraft, aber den Zusatz, schneller zu sein, als der Wind, macht sich das Auto mit seinem Getriebe selber.
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Ein Segelwagen, der mit Seitenwind fährt, kann auch ein Mehrfaches der Windgeschwindigkeit erreichen. Da fällt uns die Vorstellung leichter, weil wir das Segel in einem Winkel sehen. Die Kräfte, die an diesem Segel wirken, lassen sich auch am Getriebe genauso zeigen. Die Übersetzung ist dabei der Segelwinkel.
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Wenn nun der Fahrer den Hals nicht vollkriegt und es mit der Propellereinstellung übertreibt, dann bremst der Prop über das Getriebe die Räder wieder ab und - obwohl der Vortrieb noch weiter zunimmt - das Auto bleibt wieder stehen.
Der frustrierte und uneinsichtige Fahrer dreht die Steigung noch größer. Nun sind die rückdrehenden Kräfte am Prop so groß, daß über die Räder eine größere Rückwärtskraft aufgebaut wird, als dem Gesamtwiderstand der Konstruktion entspricht. Nun fährt das Auto rückwärts gegen den Wind. Nicht schnell, aber immerhin.
Dadurch, daß in Gegenrichtung der Fahrtwind nun immer stärker wird und ein mehrfaches der Windgeschwindigkeit betragen kann, kann bei ausgefeilter Aerodynamik das Fahrzeug theoretisch schneller sein, als der Wind - obwohl es gegen an fährt.
In der Praxis dürfte es durch den stark anwachsenden Gesamtwiderstand wohl nicht klappen. Müßte man versuchen.
Steigen wir nochmal in den Strandsegler und lassen ihn schräg gegen den Wind fahren, also kreuzen. Die Dinger werden verdammt schnell, ich hab sie auf Langeoog und in Holland gesehen. Bei guten Seitenwind sind da mal locker 75 km/h drin.
Was passiert aber, wenn ich in den Wind drehe? Eine zeitlang kann ich noch gutes Tempo halten, allemale schneller, als Windgeschwindigkeit, aber noch ist mein Winkel GEGEN den Wind ja klein. Die Frage lautet also: kann ich soweit IN den Wind drehen, daß ich über Grund schneller bin, als der Gegenwind und sind dabei immer noch ausreichend Vortriebskräfte am System Segel/Räder. Ich bezweifele es, weiß es aber nicht. Theoretisch geht es auf jeden Fall.
So, hoffe, es Dir wieder besorgt zu haben. Bei uns isses wieder heiß. Geht auf über 30 °C - Sauerei das !!
Gruß
Werner
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