Date: August 17, 2002 at 12:37:22
From: Hans Fürthbauer, [linzu2-212-159.utaonline.at]
Subject: Re: die Blinden und die Einäugigen ... (paßt hier dazu, obwohl vielleicht ein neuer Thread besser gewesen wäre)
Hallo Leute,
in einem anderen Forum gab es eine ähnliche Diskussion, wo eine Audi-Werkstatt einem Kunden eine Tauschpumpe verkauft hätte, obwohl nur der Kraftstoff-Filter Luft gezogen hatte. Mit ein paar Tips aus dem Forum war die Ursache gefunden und mit einem neuen Filteroberteil behoben.
Den Fall hatte ich zum Anlaß genommen, um einen bewußt provokanten Beitrag zur Qualifikation des Kfz-Personals zu schreiben. Statt der Namen schreibe ich NN. Hier ist mein Beitrag:
"Hallo NN,
leider hast Du recht: es ist ein grundsätzliches Problem. Zumindest bei uns in Österreich. Jeder, der nur halbwegs glaubt, in einem technischen Beruf was "Besseres" werden zu können, geht in eine HTL, oder sonst eine höhere Schule.
Für das Kfz-Gewerbe (und andere handwerkliche Berufe) bleiben dann halt diverse wenig qualifizierte Schulabgänger übrig. Die haben noch dazu völlig überdrehte Vorstellungen vom Job eines Kfz-Technikers. In der Realität sind sie leider oft nicht mal in der Lage, den Besen für die Werkstattreinigung richtig zu bedienen. ...
Aus diesem Topf kommen dann in weiterer Folge die Werkstätten-Meister und KD-Annehmer, nach dem Motto: "Unter den Blinden ist der Einäugige der König". Ausnahmen sind natürlich wie überall möglich.
Die wirklichen Fachleute hier (die Österreicher ganz besonders) bitte ich um Nachsicht für meine Verallgemeinerung. Mich würden ihre Erfahrungen und Meinungen dazu sehr stark interessieren.
MfG Hans F."
Soweit mein Text.
Dazu hat sich ein mir bekannter, sehr tüchtiger Inhaber eines Kfz-Betriebes gemeldet. Er hat einen florierenden, wachsenden Betrieb, bemüht sich sehr um seine Kunden und löst zusammen mit seinen Mitarbeitern auch Probleme, an denen Markenwerkstätten gescheitert sind. Sein Betrieb und seine Einstellung zu den Kunden ist für mich ein Paradebeispiel, wie es sein soll, wie es aber in vielen Betrieben auch ist. Mein Text hat ihn erkennbar getroffen und er hat in seiner Antwort Gesichtpunkte genannt, die vielleicht auch für Euch interessant sein könnten.
Hier ist seine Antwort:
"Hallo Hans,
wie Du weißt, bin ich Meister. Da ich "einäugig" bin, habe ich es leider nicht weiter gebracht. Aber Gottseidank hast Du mir ja die Möglichkeit offen gelassen, als die Ausnahme der Regel gelten zu können. Nun zu deinen weiteren Ausführungen.
1. Azubi
Leider muß ich Dir was meine Erfahrungen angeht, oft recht geben. Bei den meisten Bewerbungsunterlagen die mir zu Gesicht kamen, sah es in Mathe und Physik eher schlecht aus. Ich denke wer in diesen Fächern schlecht ist, kann bei den heutigen Motoren und Einspritzanlagen die Zusammenhänge nicht verstehen. Wer aber in diesen Fächern gut ist, wird kein KFZ-Mechaniker, oder benutzt die Ausbildung nur als Sprungbrett fürs Studium.
2. Qualität der Meister
Wir alle wissen, daß Du schlicht weg der "Diesel-Professor" bist, und es wohl nur sehr wenige aus der schraubenden Zunft gibt, die Dir hier das Wasser reichen können. Du weißt auch, daß ich mich persönlich oft schon über Dein Fachwissen aus diesem Bereich verwundert geäußert habe. Aber, bist Du den in den Bereichen Benziner, Unfallinstandsetzung mit Lackierung, Fahrwerk, ABS, Bremsen, Can-Bus, Windgeräusche, Wassereintritt, Komfortelektronik, Klima, AU-Vorschriften, HU-Vorschriften, SP, Werkstattrecht, ESP, Allradtechnik, Garantieabwicklung ..... auf ähnlichem Level fit. Meine Bewunderung für Dich würde ins Unermessliche steigen. Der "kleine einäugige KD-Meister" jedoch ist hier für den Kunden an vorderster der Ansprechpartner oder Prallbock.
Gewiß ist es für einen Kunden ärgerlich, wenn er für Fehldiagnosen Geld bezahlen muß. Aber kostet die erfolglose Behandlung eines Arztes (Akademiker kein Einäugiger) aufgrund einer Fehldiagnose kein Geld? Sind deswegen alle Ärzte "Einäugige"?
Nimm das Beispiel des neuen 7-er BMW. Hier sind Kunden aufgrund einer fehlerhaften Information der Tankanzeige an das Motorsteuergerät trotz ausreichendem Kraftstoff stehen geblieben. Eine große Rückrufaktion war die Folge. Stammtischgeschwätz: Wie kann das bei einem solch teuerem Auto mit soviel Entwicklungsingenieuren passieren? Alles Einäugige"?
Wie oft muß der "kleine einäugige Meister" die Fehler und den Pfusch der Hersteller suchen und ausbügeln? Ich denke es gibt in jedem Beruf gute und schlechte Fachleute, nur steht wohl kein Produkt der Welt so im Interesse der Öffentlichkeit wie das Auto. Für kein Produkt der Welt gibt es so viele Werkstattests, Verbraucherverbände usw, oder hast Du schon einmal über einen versteckten "Werkstatttest" von Zahnärzten, Computern oder was weiß ich was gelesen? Hinzu kommt, daß es sich bei den KFZ-Meistern oft eben auch "nur" um brave Handwerker handelt. In keinem Handwerksbereich gab es in den letzten 5 Jahren soviel Innovationen wie in unserem Handwerk. "Altes" Wissen gilt sehr schnell nicht mehr viel und so mancher alter oder junger erfahrener Meister kommt ruck zuck nicht mehr zurecht. Dies interessiert natürlich den Kunden nicht, aber ein jeder sollte doch auch einmal an sein Berufsfeld denken, werden da keine Fehler gemacht, gibt es da nicht ähnliche Probleme?
Ich hoffe Du nimmst mir meine Stellungnahme nicht krumm.
Ciao NN"
Selbstverständlich habe ich ihm geantwortet, möchte aber nicht mehr darauf eingehen, sondern seinen Text einfach so stehen lassen. Vielleicht hilft er ein wenig, das Verständnis für die Werkstätten zu verbessern.
MfG Hans F.
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