Date: August 23, 2004 at 20:12:56
From: 2L-Heiko, [dsbg-d9bbdf5f.pool.mediaways.net]
Subject: PÖL-Abgas...oder...Das Ende des Wunschdenkens?
Hallo Hans,
bevor ich zum "Ende des Wunschdenkens" komme, noch einige Bemerkungen vorweg:
Es ist schön zu sehen, dass ich in unserer Diskussion dem Audi A6 nicht einfach eine noch gar nicht serienreife Siemens-Einspritzgeneration unterjubeln kann, ohne dass es Deiner Aufmerksamkeit entgeht ;-) Dem Bosch-Steuergerät die Kommunikation mit den Siemens-PCR3-Stacks zu ermöglichen, dürfte eine Arbeit für Menschen sein, die nichts mehr erschüttern kann.
Da ich den A6 nicht gewonnen habe, werde ich in nächster Zeit wohl nicht in die Lage versetzt, irgendwelche CR-Systeme außer Stand zu setzen. So werde ich meine sadistischen Züge weiterhin an meinem "kleinen" Audi ausleben. Für Praxisbezug innerhalb dieses Threads ist hoffentlich durch weitere PÖLer gesorgt, die z.Zt. anfangen ihre Smarts...Vitos...etc. zu bepölen. Es bleibt zu wünschen, dass sie ihre Erfahrungen so offen legen, dass möglichst viele PÖLer davon profitieren.
Zum HFRR-Test:
Dieser Test mag in Hinblick auf das Verschleissverhalten von Verteilereinspritzpumpen entwickelt worden sein und kann sicher nicht auf die teilweise "ballistischen" Zustände in Hochdruck-Einspritzanlagen 1:1 übertragen werden. Für mein Verständnis wäre hier ein Test der Dämpfungseigenschaften auch sinnvoller als ein Test der Schmiereigenschaften. Sind Dir solche Tests bekannt, oder wird die Eignung von Diesel durch Prüfstandsläufe bzw. Flottenversuche ermittelt? Hat die Einführung der modernen Diesel-Einspritzanlagen zu Veränderungen der Diesel-Norm geführt? Die Vorstellung, dass PÖL schlechtere Schmier- oder Dämpfungseigenschaften als Diesel haben könnte, fällt mir schwer.
Der 1L-VW ist wirklich ein faszinierendes Stück Technik, wenn auch das Gefühl, damit zwischen zwei holländischen LKW zu fahren, nicht gerade erhebend sein dürfte. Verbrauchsoptimierungen treffen genau meinen Nerv. Genau so interessiert wie die Vorstellung des 1L-VW verfolge ich die diversen Rekordfahrten Deines Landsmann Gerhard Plattner. Leider ist eine solche Fahrweise mit PÖL im DI nicht sehr ratsam, weil ein Großteil der Betriebszustände nahe dem Leerlauf stattfinden (Zerstäubungsproblematik/Brennraumtemperatur), aber es erwischt mich immer wieder auf der Suche nach der 2 vor dem Komma. Zum 1L-VW: Aus heutiger Sicht ist er natürlich viel zu teuer mit seinen Spezialwerkstoffen etc.. Außerdem tendiert die Nachfrage nach einem solchen Auto wohl immer noch gegen 0. Und warum sollte ein Automobilhersteller ein Auto produzieren, das sich mit Sicherheit noch viel schlechter als ein 3L-Lupo verkaufen wird? M.E. ist es VW hoch anzurechnen, dass sie ihre Entwicklerkompetenz immerhin bei einem Prototypen in Richtung Verbrauchsoptimierung unter Beweis stellen. Eine einfachere (+ günstigere) Variante, mit weniger Kohlefaser, Sicherheit und Elektronik wäre mir zwar lieber, hat aber noch weniger Marktchancen. Meine Scheu vor Elektronik werde ich zukünftig wohl sowieso ablegen müssen ;-) Wer weiß, vielleicht gibt´s in 5 Jahren in der PÖLhöhle zusätzlich zum Pumpenprüfstand auch ein Laptop mit OBD-Interface und Universalsoftware, um dann bekannte Modifikationen an aktuellen und zukünftigen Dieseln vorzunehmen?
Nun aber Schluss mit dem Wunschdenken, denn jetzt wird es wirklich hart für die PÖLerfraktion ;-), es folgt die Zusammenfassung vergleichender Abgaswerte bei Diesel-, PÖL-, und interessanterweise auch AltPÖL (FTP-75 Zyklus / EG-Richtlinie 70/220/EWG):
1) Kohlenwasserstoff-Emissionen (HC):
PÖL – bis zu 55% weniger gegenüber Diesel
AltPÖL – ca. 40% weniger gegenüber Diesel
2) Stickoxid-Emissionen (NOx):
PÖL – bis zu 32% höher gegenüber Diesel
AltPÖL – bis zu 9% weniger gegenüber Diesel
3) Kohlenmonoxid-Emissionen (CO):
PÖL – bis zu 112% höher gegenüber Diesel
AltPÖL – bis zu 199% höher gegenüber Diesel
4) Schwärzungszahl (nach Bosch):
sowohl bei PÖL als auch AltPÖL ca. 20-30% höher gegenüber Diesel
Die Bewertung der einzelnen Abgaswerte überlasse ich jedem Einzelnen. Die einen greifen direkt das Nervensystem an, andere hemmen die Sauerstoffaufnahme durch Anbindung ans Hämoglobin. Schädlich sind sie allemal, aber sicher wird das PÖL-Weltbild durch das Wunschdenken schnell wieder gerade gerückt ;-), zumal es ja noch weitere Aspekte in der Gesamtbetrachtung eines Kraftstoffs gibt, auf die ich weiter unten eingehe. Nach Betrachtung der oben genannten Werte war ich zunächst hinreichend desillusioniert.
Ein Hinweis zu möglichen Optimierungsmöglichkeiten:
Zwischen 2) und 3), also NOx und CO, gibt es ein Bedingungsgefüge, das z.B. durch die Brennraumgestaltung vorgegeben ist (und PÖLer arbeiten nun mal mit vorgegebenen Diesel-Motoren und entwickeln i.d.R. nicht eigene Motore). Erhöhte CO-Emissionen sind wohl die Folge unvollständiger Verbrennung. Nun könnte man verschiedene Maßnahmen ergreifen, um eine vollständigere Verbrennung von PÖL zu bewirken (bessere Zerstäubung/größerer Zeitrahmen für Gemischbildung bzw. Abbrand). Zwangsläufige Folge wären dann allerdings erhöhte Stickoxid-Emissionen. Nicht ohne Grund verbauen die Autohersteller seit vielen Jahren die aus vielen Aspekten suboptimale AGR in ihren Dieseln. Wenn man alle Schadstoffe mit einem Dreh an Schräubchen "a" und einem weiteren Dreh an Schräubchen "b" in den Griff kriegen würde, hätten die Autohersteller das sicher getan.
Erstaunt hat mich die Schwärzungszahl in obiger Abgasuntersuchung. Verwendet wurde ein Reflektionsphotometer (Smoke Meter Typ 409 - AVL Deutschland), bei dem der Ruß in einem Filtergewebe aufgefangen wird. Bekannt war mir, dass gängige AU-Geräte PÖL-Ruß nicht korrekt erfassen und es deshalb bei den regelmäßigen Untersuchungen zu den PÖL-Fabelwerten kommt (von Diesel-Ruß abweichendes Reflektionsspektrum als Ursache???). Nun, in obiger Untersuchung wurde ein anderes Verfahren verwendet, aber eben doch ein Reflektionsphotometer und trotzdem wurde bei PÖL und AltPÖL eine wesentlich höhere SZ gemessen gegenüber Diesel. Eine Messung der Partikelmasse über eine Präzisionswaage hätte vielleicht noch schlechtere Ergebnisse zur Folge? Ein wenig Hoffnung bleibt dennoch: relativ gesicherten Erkenntnissen zufolge spiegelt die gesetzliche Limitierung der Partikelmasse nicht die Schädlichkeit von Ruß wider - die Größe der Partikel ist wohl entscheidend für die Lungengängigkeit und folgende Schädigung. Krebsauslösend sollen auch weniger die Partikel an sich sein, sondern anhaftende Aromate. Schon an dieser Stelle bewegt sich der Dieselfahrer auf dünnem Eis. Noch dünner wird es bei der Behauptung, dass die dem PÖL-Ruß anhaftenden Aromate bei weitem weniger krebsauslösend sein sollen als Diesel-Aromate. Welcher PÖLer - oder sei es ein Umrüster - soll eine solche Studie in Auftrag gegeben haben (zumal solche Erkenntnisse wohl nur in Langzeittests ermittelt werden können)? Na ja, die Hoffnung stirbt zuletzt...
Es ist natürlich nicht nur entscheidend, was aus dem Auspuff kommt. Eine solche Betrachtung wäre ähnlich sinnig, wie der Ausspruch: "Bei mir kommt der Strom aus der Steckdose!" Dann hätte ich auch mein letztes Auto (Benziner) behalten können, den ich wegen der besseren Abgaswerte auf Autogas umgerüstet habe. Auch der Herstellungsprozess und die Begleiterscheinungen bis zur Zapfsäule müssen in eine "Ökobilanz" einfließen. Auf die einzelnen Aspekte bis zur Zapfsäule gehe ich an dieser Stelle nicht mehr ein. Das hat vor kurzem Johannes D in einer Antwort an Dich im Grünen sehr prägnant getan. Ich kann mich Johannes nur anschließen und sagen, dass die Bereitstellung von PÖL bei weitem ökologischer, ökonomischer und sozialverträglicher ist als die Herstellung von fossilem Diesel (erst recht, wenn man bei AltPÖLverwendung die 2. Nutzung betrachtet).
Im Zusammenhang einer Ökobilanz wird gerne die "CO2-Neutralität" von PÖL hervorgehoben. Auch wenn Prof. Schrimpff unermüdlich Werbung für den Mischfruchtanbau macht, sieht ein Großteil der PÖLproduktion wohl anders aus. Durch Intensivdüngung geht ein beachtenswerter Teil der "CO2-Neutralität" verloren. Zu einem beträchtlichen Teil haben die PÖLer als Verbraucher das in ihrer Hand. Was hindert den PÖLer aus ökologischer Überzeugung, beim Bauern "um die Ecke" für 75 Cent/Liter zu tanken? Stattdessen sind Preisverhandlungen um 1 Cent für importierte Ware zu 65 Cent/Liter die Regel. Der überzeugte Bio-Brötchen-Verzehrer zahlt doch auch 50% mehr als in einer Normalo-Bäckerei?! Da kann ich mir natürlich nur an die eigene Öko-Nase fassen, auch wenn ich ausschließlich Altmaterial verfahre...in jedem PÖLer steckt auch ein Geiz-PÖLer...
Viele Grüße
Heiko
p.s.: der wenig geneigte Leser mag in diesem Beitrag einen Angriff auf die PÖLszene sehen. Nun, über die oben erwähnten Abgaswerte war ich selbst schockiert...werde aber selbstverständlich weiter PÖLen...es war ein Versuch, das Wunschdenken abzulegen und die Sache realistisch zu betrachten...PÖLen sehe ich schon seit längerem nicht mehr als Allheilmittel zukünftiger Mobilität (die Quantität und das Anspruchsdenken der Verbraucher ist einfach nicht zu realisieren)...aber es wird optimiert werden und seinen Platz in einem regenerativem Energiemix behaupten :-)))
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