Date: July 15, 2004 at 01:38:40
From: Hans Fürthbauer, [linzu3-221-158.utaonline.at]
Subject: Re: Es geht weiter: Die CR-Bauteile und das Zusammenspiel ...
Hallo Heiko,
da hast Du mir ein halbwegs dickes Diskussions-Paket vorgelegt ;-). Deswegen habe ich auch solange für die Beantwortung gebraucht. Ist nicht ganz ernst gemeint, denn ich hätte mich auch kürzer fassen können. Aber ich kann den Text mit geringen Modifikationen auch anderweitig brauchen. Und Du interessierst Dich auch für Details. Deswegen ist meine Stellungnahme zu Deinen CR-Bauteil-Themen so geworden, wie sie jetzt ist.
Danke für Deine saubere Unterteilung in die einzelnen Themen, da kann ich gezielt antworten. Trotzdem fließen die Themen ineinander, weil es ja nicht nur um die Bauteile selber, sondern auch um das Zusammenspiel und die Systemfunktionen geht. Ich gehe heute mal zunächst auf die Punkte 1.), 2.) und 3.) ein. Den Schwerpunkt lege ich dabei auf die Bosch-Anlage. Bosch ist auch eindeutig Marktführer. Die anderen 3 Hersteller spielen die zweite oder sonstige Geigen auf dem CR-Markt. Daran wird sich meiner Meinung nach auch in nächster Zeit nicht viel ändern.
Hier ist meine Sicht der Dinge:
1.) VoFöPu (VFP, ist kürzer und ebenfalls "sprechend"): da wird es bereits kompliziert: Die Bosch-CR-Anlage der 1. Generation seit 1997 in Serie und mit der HDP (=Hochdruckpumpe)-CP1 braucht in jedem Fall eine VFP. Das ist alternativ Fzg.-Hersteller- abhängig eine Zahnradpumpe (ZP) oder eine elektrische VFP. Neben der Systemversorgung muß die VFP auch noch für die Schmierung, Kühlung und Spülung des Triebwerks der HDP sorgen. Allein dafür sind ca. 0,7 l/min. erforderlich. Für die Systemversorgung sind je nach Mengenbedarf des Motors nochmal bis zu ca. 2,5 l/min. anzusetzen.
Die CP1-HDP ist vom Konzept her so ausgelegt, daß zuerst Kraftstoff zur Schmierung in den Triebwerksraum gelangen muß, bevor die HDP was ins Rail fördern kann. Dazu hat sie am Pumpeneingang ein "Sicherheitsventil". Das öffnet bei einem Druck von ca. 1,0 bar und schließt sofort, wenn der Druck darunter sinkt. Der Öffnungsdruck des Ventils wird konstruktionsbedingt bei laufendem Motor auch vom Rücklaufdruck mitbestimmt, weil der im Triebwerksraum der CP1-HDP auch anliegt. Steigt bei laufendem Motor der Rücklaufdruck, kann das auch zu einem Schließen des Sicherheitsventils führen. Die meisten Fzg.-Hersteller gehen daher mit einem Vordruck von ca. 1,5 bis 3,5 bar an die CP1. Diesen Druck muß eine VFP für eine CP1 absolut sicher bringen. Wenn nicht, springt der Motor nicht an, oder bleibt im Betrieb stehen. Bei den ZP gibt es gelegentlich Startprobleme, wegen
der geringen Förderleistung der ZP bei niedriger Drehzahl. Vor allem wenn im System Luft ist. Eine Tankleerfahrt bei so einem Fzg. kann in einige Arbeit ausarten. Die Leute jener Marke, die seinerzeit nach der Tochter eines geschäftstüchtigen, österreichischen Konsuls benannt wurde, wissen das.
Der Kolben des Sicherheitsventils ist korrosionsgefährdet. Je nach Anordnung kann dort auch Wasser stehenbleiben. Wird der Kolben infolge Korrosion schwergängig, springt der Motor nicht mehr an, weil der Druck der VFP nicht mehr ausreicht, den Kolben zu verschieben.
Bei der Bosch CP3-HDP ist das Konzept anders: zuerst fördern und dann schmieren. Auch diese Pumpe braucht einen Vordruck direkt am Eingangskanal zur HDP. Da wird es wieder kompliziert, denn die CP3 gibt es in verschiedenen Ausführungen und mit und ohne direkt angeflanschte Zahnradvorförderpumpe. Nachdem man mit der ZP (ohne elektr. VFP) manchmal "Brösel" hatte, wie oben schon erwähnt, haben Mittelklasse- Fzge. heute entweder nur eine elektrische VFP, oder die ZP mit zusätzlicher elektrischer VFP, fast immer kombiniert mit einer Intankpumpe. Bei Satteltanks oder sonstigen komplizierten Tankformen zusätzlich noch eine oder zwei Saugstrahlpumpen, die entweder vom Rücklauf und/oder von der Intankpumpe bedient werden. Mir sind aus dem Stegreif nur wenige Hersteller bekannt, die für die CP3 nur die angeflanschte ZP verwenden und die vom Tank saugen lassen.
Technisch geht das problemlos, aber halt mit einem gewissen Funktionsrisiko beim Zusammentreffen ungünstiger Umstände.
Die serienmäßige Bandbreite des Zulaufdrucks bei den verschiedenen CP3-Varianten ist groß: Sie liegt einerseits im Unterdruckbereich bis ca. -0,8 bar, wenn nur eine integrierte ZP alleine verwendet wird. Oder andererseits- ohne ZP, aber mit elektr. VFP - bei etwa 4,0 bis 6,0 bar Überdruck. Wie z.B. bei meinem Wagen mit Intankpumpe und elektr. Inline-VFP. Das sind 2 Beispiele. Jedenfalls, die eigentliche HDP benötigt ca. 4,0 bis 6,0 bar Zulaufdruck für die Funktion. Bei integrierter ZP und ohne elektr. VFP muß halt dann die ZP den Druck
bereitstellen. Da möchte ich jetzt nicht weiter ins Detail gehen, denn jeder Fzg.-Hersteller hat ein anderes Konzept.
Dann wären noch die Siemens-, Delphi- und Denso-Anlagen zu betrachten. Da ist die VFP als Flügelzellenpumpe in der HDP integriert. Diese Flügelzellenpumpen sind kräftig ausgelegt und brauchen mit Diesel nicht unbedingt eine elektrische VFP, die ihnen den Kraftstoff serviert. Es ist dann allerdings ein Unterdruck auf der Kraftstoffversorgung, der bei hoher Viskosität und/oder verschmutztem Filter zu Unterversorgung oder Lufteintritt führen kann.
Bei den Mercedes-Anlagen der 1. Generation mit der CP1-Kompaktpumpe ist in der Anlage auch noch das Abstell-Magnetventil im Niederdruckkreislauf montiert.
Das Thema 1.) ist relativ komplex, obwohl man dazu noch eine Menge sagen könnte. Andererseits habe ich schon einige Hinweise zur HDP gegeben und kann mich da kürzer fassen..
2.) die HDP: da gibt es 2 grundsätzliche Bauarten:
2.a) da sind mal zu nennen: die 3 Zylinder Radialkolbenpumpen, mit innenliegendem Kolbentrieb über die Antriebswelle und einen Exzenterring, wie die Bosch CP1 und CP3 und die Siemens-HDP. Diese Pumpen stammen im Grundkonzept aus der Hydraulik (Rexroth). Kritisch ist da der Antrieb der Pumpenkolben. Zwischen dem Exzenterring und der Antriebsmimik der Kolben erfolgt konstruktiv bedingt während des Kolbenhubs eine zusätzliche Gleitbewegung. Sehr relevant beim Förderhub mit hoher Flächenpressung. Deswegen ist ein einwandfreier Schmierfilm Grundbedingung für die Funktion.
Hier ist besonders die CP1 empfindlich. Ein weiterer Punkt ist, daß der CP1 unbedingt Kraftstoff in ausreichender Menge ("Filterdicht" wäre ein Problem) angeboten wird. Sonst kommt es zu einer Unterfüllung der Elemente, der Kolben kann bei hoher Drehzahl im Saughub dem Exzenterring nicht schnell genug folgen und es gibt bei jeder Förderung eine zusätzlichen Schlagbeanspruchung. Ist die Härteschicht des Exzenterrings oder des Laufpartners mal örtlich durchgedrückt oder infolge Schmierungsmangel partiell beschädigt, dann kommt es schnell und ohne Vorwarnung zum Crash. Wer mal so einen Pumpenschaden gesehen hat, der ist beeindruckt von dem, was sich da abgespielt hat. In ca. 30% der Fälle kommt es wegen des Blockierers dann noch zu einem Bruch des Pumpenantriebs (Zahnriemenriß, Kettenriß, Zahnrad- oder Nockenwellenbruch) mit den bekannten Folgen. Selbst ohne Motorschaden wird es teuer, denn es sind bei einem Pumpencrash hochdruckseitig die Hochdruckleitungen, das Rail, das Druckregelventil (sofern am Rail montiert und nicht in der HDP integriert) und die Injektoren zu tauschen. Niederdruckseitig sind die Bauteile des Rücklaufs (Leitungen, Wärmetauscher, Saugstrahlpumpe) und des Vorlaufs von der Intankpumpe bis zum Kraftstofffilter genauestens zu reinigen und wo das nicht halbwegs sichergestellt werden kann, zu tauschen. Weil eine Werkstatt eine Garantie abgeben muß, wird sie statt reinigen, lieber tauschen. Der
Tank ist auszubauen und zu penibel zu reinigen. Denn am Tankboden befindet sich Metallgrieß, der aus der HDP über den Rücklauf eingeschwemmt wurde. An der Intankpumpe, falls vorhanden, finden sich außen am Gehäuse, genau dort, wo im Inneren die Permanentmagneten des Pumpenmotors sind, jede Menge Stahlspäne. Wenn man das sieht, dann ist klar, daß man auch die Intankpumpe und eine eventuelle Inlinepumpe tauschen muß, sonst wird da keine Ruhe.
Bei der CP1 ist noch die Elementabschaltung zu erwähnen. Damit wird im Teillastbereich bei geringerem Mengen- und Druckbedarf temporär ein Zylinder weggeschaltet. Es wird einfach mit einem elektro magnetisch betätigten Steller mechanisch das Einlaßventilplättchen aufgedrückt und offen gehalten. Eine Pöl-Relevanz sehe ich da nur insofern, als sich der stillgelegte Pumpenzylinder auf die systembedingten Raildruckschwankungen massiv auswirkt. selbstverständlich auch bei Dieselbetrieb. Pöl hat aber ganz sicher einen anderen Elastizitätsmodul als Diesel, so daß sich daraus Auswirkungen auf die Einspritzung ergeben können. Ich habe aber dazu keine fachlich "belastbaren" Informationen.
Die CP3-Pumpen sind wegen des robusteren Aufbaus weniger empfindlich, dafür fahren sie mit einem Raildruck bis 1600 bar. Ich würde mich aber auch da nicht trauen mit Pöl zu fahren. Einer der Gründe wäre neben bestimmten Konstruktionsdetails saug- und druckseitig, die zulaufseitige Mengenregelung mit der Zumeßeinheit, deren Bauteile auf die Eigenschaften von Diesel ausgelegt sind. Und halt Wasser, filtergängige Schwebstoffe und korrosionsfördernde Komponenten im Pöl. Wasser im System ist bei diesen Pumpen deswegen kritisch, weil durch die sternförmige 120°-Anordnung der Zylinder immer mindestens einer, oder auch zwei Zylinder nach unten gerichtet sind. Dort sammelt sich dann das Wasser, ...
Das gilt auch für die Siemens-HDP, die vor allem in der hochdruckseitigen Mechanik starke Ähnlichkeiten zur CP3 hat..
2.b) die Radialkolbenpumpen von Delphi und Denso. Völlig unterschiedlich zu den oben beschriebenen Pumpen. Interessanterweise ist aber das Grundkonzept zwischen Delphi und Denso so ähnlich, daß eine Zusammenarbeit zwischen Lucas (wurde Anfang 2000 von Delphi gekauft) und Denso bei der Konzeption der HDP recht wahrscheinlich ist. Beide Pumpenfabrikate haben einen außen rotierenden Nockenring, der die innen angeordneten Hochdruckelemente betätigt. Beide haben auch eine zulaufseitige Mengenregelung, die allerdings ein wenig unterschiedlich arbeitet. Das Risiko mit Pöl für die Pumpe - ohne jetzt mal auf weitere Details einzugehen - schätze ich ähnlich ein, wie für eine Bosch VP44 oder eine CP3.
3.) das Druckregelventil (DRV): Bei der Bosch CP1 ist es zweifellos ein sehr hoch beanspruchtes Bauteil. Denn die CP1 fördert immer voll, das DRV schickt dann aber den Kraftstoff, der zwar verdichtet, aber nicht benötigt wird, wieder zum Tank zurück. Durch das Entspannen des vorher verdichteten Kraftstoffs entsteht auch ein erheblicher Temperatureintrag, der einen Kraftstoffkühler im Rücklauf zwingend erforderlich macht. Das ist einerseits eine erhebliche Energieverschwendung und andererseits ein lästiger Mehraufwand. Das DRV sitzt bei einer herkömmlichen CP1 direkt an der HDP, bei einer CP1-Kompakt, wie bei Mercedes oder VM am Rail. Bei der CP3 sitzt es, falls vorhanden, grundsätzlich am Rail, bei der Siemens-CR-Anlage ist es in die HDP integriert und bei den mir bekannten CR-Anlagen von Delphi und Denso kommt es gar nicht vor.
Zurück zur Technik am Beispiel Bosch: Mit der ca. 1,2 bis 1,5 mm kleinen Ventilkugel und dem Ankerhub von ca. 0,5 mm bei einem variablen Tastverhältnis und einer Ansteuerfrequenz von 1 kHz ist da Pöl mit seiner hohen Viskosität ein Störfaktor im Raildruckregelkreis. Das Ventil wird in seiner Dynamik behindert, das ist ein funktionelles, aber wahrscheinlich kein mechanisches Verschleißproblem. Was wegen der hohen Temperaturen da mit Pöl passiert und ob das Ventil beeinträchtigt wird, weiß ich nicht.
Das DRV hat bei den CR-Anlagen mit zulaufseitiger Mengenregelung für die HDP erheblich weniger zu tun, als bei einer CP1. Dafür wird die Zumeßeinheit an der HDP stark beansprucht. Die Ansteuerung erfolgt ebenfalls mit einem variablen Tastverhältnis bei ca. 150 bis 180 Hz. Der Kolben des Ventils wird ebenfalls durch die Viskosität in seiner Bewegung behindert und der Regelkreis gestört. Wie es mit der Schmierung des Kolbens aussieht, wäre noch zu prüfen.
3. a) das Rail: Das Rail selbst hat keine großartige Pöl-Relevanz. Der Raildrucksensor auch nicht. Anbauteile wie anlagenspezifische Durchflußbegrenzer und der Druckbegrenzer schon. Beide habe ich hier kürzlich schon mal für Alex und sein Denso-CR-System beschrieben.
Dabei belasse ich es mal. Es ist eh schon sehr viel Text, den ich hiermit zur Diskussion stellen möchte.
Auf die restlichen Themen 4.) bis 7.) antworte ich gegen Ende der nächsten Woche. Die sind nicht weniger komplex und erfordern für eine qualitativ hochwertige Behandlung ebenfalls etwas Zeit. Wir wollten uns bei diesem Thema auch keinen Streß machen. Daher rechne ich mit Deinem Einverständnis.
MfG Hans F.
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