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Date: April 17, 2004 at 23:33:03
From: Hans Fürthbauer, [linzu3-219-228.utaonline.at]
Subject: Der Elsbett-Motor (speziell für Otmar, aber auch für alle anderen Elsbett-Fans)

Hallo Otmar und Kollegen,

Dich Otmar, spreche ich zuerst an, denn Du warst der eigentliche Auslöser für den folgenden Beitrag und ich hatte Dir eine Antwort zu Deinem Statement in fmso zum Elsbett-Motor vom 22.02.04 versprochen.

Die Technik des Motors und die in den beiden Pöl-Foren immer wieder aufflammende, teilweise harsche Kritik an Mineralöl- und Automobilindustrie hat mich interessiert. Daher habe ich mir den Elsbett-Motor angesehen. Meine Einschätzung dazu, ohne zu sehr auf technische Details einzugehen:

Für die damalige Zeit war die Elsbett-Technik für den Grundmotor recht revolutionär und ungewöhnlich. Sie verdient allen Respekt. Manches was Elsbett erdacht hat, ist später als Innovation in Serie gegangen: nur 3 Beispiele:

1.) das Trapezpleuel, es ist heute bei den DI-Diesel mit den hohen Spitzendrücken Standard. Elsbett hatte schon damals genau erkannt, worauf es bei der Auslegung und Schmierung von Kolbenbolzen und kleinem Pleuelauge bei einer heißen Verbrennung in der Kolbenmulde ankommt.

2.) der 2-geteilte Kolben ist heute etwas abgewandelt als "Pendelschaftkolben" in Nutzfahrzeugen bekannt und ebenfalls Stand der Technik.

3.) die Idee der Kühlung mit Motoröl statt mit herkömmlichem Kühlmittel hat Deutz bei einer bestimmten Motorbaureihe übernommen. Ich weiß leider die Motortypen nicht mehr.

Bei der ganzen, unglaublich spektakulären, pioniermäßigen Ingenieurleistung hatte das Konzept mindestens einen, leider unüberwindlichen Haken. An dem ist es wahrscheinlich gescheitert:

Fertigungstechnisch war der Elsbett-Motor in Großserie damals nicht darstellbar. Die Bearbeitung, der als Guß- oder Schmiedeteil ("Rohteil") zugekauften Motorteile, erfolgte in den 80-er und 90-er Jahren bei den Motor-Herstellern auf hochautomatisierten, aber unflexiblen Fertigungslinien ("Transferstraßen"). Ob Kurbelgehäuse, Kurbelwelle, Pleuel, Zylinderkopf, Wasserpumpengehäuse oder Schlepphebel, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Fertigungslinien waren punktgenau auf die zu bearbeitenden Teile ausgerichtet. Die Rohteile wurden zugeführt, in der Fertigungslinie automatisch bearbeitet und kamen am Ende als einbaufertige Teile heraus. Nur ein Beispiel zur Orientierung: Eine 6-Zyl.-Kurbelgehäuse-Transferstraße mit den diversen integrierten Bearbeitungsstationen aus der damaligen Zeit, war so um die 80 m lang.

Genau in diesen teuren, aber eben unflexiblen Fertigungslinien lag das Problem. Es gab einerseits nur ganz wenige Monopol-Hersteller davon. Die hat der Elsbett-Motor aus verständlichen Gründen nicht interessiert. Andererseits lag die erforderliche Nutzungsdauer für die Amortisation so einer Anlage bei ca. 8 - 10 Jahren im 2-Schicht-Betrieb. Daneben waren die immer wieder erforderlichen Adaptionen infolge technischer Änderungen an den zu bearbeitenden Teilen mit einem erheblichen zeitlichen (Stillstand = Produktionsausfall!) und finanziellen Aufwand verbunden. Also war man bestrebt, so wenig Änderungen, wie nur irgend möglich durchzuführen.

So gab es halt keine Transferstraßen für die diversen, eben Elsbett-spezifischen Motorteile: das 3-Zyl. Kurbelgehäuse, die Kurbelwelle, den Zylinderkopf, die Nockenwelle, das Trapezpleuel und andere Teile. Diese speziellen Teile passten in keine der vorhandenen Fertigungslinien. Also wären erhebliche, kapitalintensive Umbauten und zeitkritische Produktionsstillstände angesagt gewesen. Diverse, für einen Motorenhersteller lebenswichtige Zukaufteile, wie das Trapezpleuel oder den speziellen Kolben gab es auch nur handgestrickt in Kleinstserie, mit allen damit verbundenen Unsicherheiten.

Die Einspritzausrüstung ist ein weiterer, besonderer Fall. Damit dürfte Ludwig Elsbett, bei allem Respekt vor seiner Leistung am Grundmotor, nicht sehr viel an Ideen am Hut gehabt haben. Soweit mir bekannt ist, war das einfachste Technik. Ohne Perspektiven für eine sich damals schon abzeichnende kritische Abgasgesetzgebung und ständig steigende Komfort- und Leistungsanforderungen der Kunden. Mit einem kompetenten Zulieferer hätte man das wahrscheinlich optimieren können. Der Zulieferer, den ich meine, macht sowas aber -
kaufmännisch korrekt, weil er auch "leben" muß - nicht aus Idealismus zum Null-Tarif.

Noch ein wichtiger Punkt für einen Markterfolg: Was hätten die "normalen", marktrelevanten Kunden zu diesem Motor gesagt? Ein 3-Zyl.-Motor ist technisch und auch vom Laufgeräusch her etwas gewöhnungsbedürftig. Zur damaligen Zeit standen Dieselmotoren noch nicht besonders hoch im Kurs. Und dann einen Dieselmotor mit "Salatöl" (so die vermeintlich spektakuläre Werbung) zu betreiben? Es gab ja keine Salatöl-Tankstellen. Hätte außer den wenigen, sehr exklusiven damaligen Pöl-Freaks jemand einen Wagen mit diesem Motor gekauft? Die Antwort aus Verkaufssicht ist ein klares "nein".

Auf solche technischen, wirtschaftlichen und marktpolitischen Randbedingungen für die Einführung einer Innovation kann sich kein Vorstand einer Autofirma einlassen.

Die Mineralölindustrie - oft auch als vermeintlicher Sündenbock genannt - kann nichts dafür, daß der Elsbett-Motor nie richtig aus den Startlöchern gekommen ist. Daß sie ihn nicht gefördert hat, ist klar. Dafür war er zu eindeutig auf Pflanzenöl positioniert und damit ein Exote. Ein schwerer Fehler der Elsbett-Marketing-Leute, falls es überhaupt ein Marketing gegeben hat..

In technischer Hinsicht mag so manchem Motorenkonstrukteur und Motorenentwickler, so wie wahrscheinlich Ludwig Elsbett auch, im Angesicht der sich abzeichnenden Misere das Herz geblutet haben. Wirtschaftlich gesehen ist aber alles klar.

Fazit: Der Elsbett-Motor war seiner Zeit viel zu weit voraus und hatte nebenbei auch seine Probleme und Schwachstellen. Die wurden von der Automobilindustrie schnell erkannt und daher hat niemand den Motor in die Serie genommen. Ludwig Elsbett war ein genialer Vollblut-Techniker. Leider habe ich es versäumt, ihn persönlich kennen zu lernen. Ob er einen realistischen Bezug zur wirtschaftlich vertretbaren Umsetzung seiner Ideen hatte, weiß ich nicht.

Heute wären die Randbedingungen für den Elsbett-Motor erheblich günstiger. Denn, die teuren, hochspezialisierten Transferstraßen haben sich längst amortisiert, sind heute Auslaufmodelle oder bereits entsorgt. Man hat die Nachteile dieser spezialisierten Fertigungslinien im Hinblick auf die heute zwingend erforderliche Flexibilität infolge rasch wechselnder Produktanforderungen klar erkannt: Starre Fertigungslinien sind "out", flexible Bearbeitungszentren sind "in". Damit wäre schon mal die technische Umsetzbarkeit für den Elsbett-Motor halbwegs gesichert. Die Elektronik in der Dieseleinspritztechnik wäre ein weiteres erhebliches Potential. Soweit ich weiß, hat aber niemand an der Entwicklung des Elsbett-Motors im Hinblick auf die EU-Abgasgrenzwerte und sonstiger gesetzlicher oder marktpolitischer Forderungen oder gar an einem Marketingkonzept weiter gearbeitet. Aus der 1996 geplanten Produktion in Fernost ist auch nichts geworden.

Realistisch betrachtet heißt das, der Elsbett-Motor war wohl ein richtungsweisendes, gelungenes Erfinderprojekt. Es kam halt leider zu früh, wurde nicht mehr weiterentwickelt, hat daher heute keine Chance mehr und ist damit endgültig Nostalgie geworden.

MfG Hans F.

PS: man könnte auch noch Gorbatschow zitieren und ergänzen: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" ... wer zu früh kommt den auch! So ging es auch dem mindestens ebenso spektakulären Steyr M1-Motor, der in der Pöl-Szene unbekannt ist. Wobei der wenigstens noch in Kleinserie gebaut wird.

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